Das Weinen über die eigene Seele

– von Imam Sayyid Ali Khamenei

Eine der Angelegenheiten auf die der Islam großen Wert legt, ist das der Mensch über seine eigene Seele weint. Und es gibt keinen Zweifel darüber, dass wir alle über unsere Seelen weinen würden, wenn wir die Tatsachen unseres Zustands erkennen würden. In Wirklichkeit sind wir uns unserer Lage vollkommen unbewusst. Allah (swt) hat den Menschen aus einem bestimmten Grund erschaffen und er (der Mensch) trägt die Verantwortung dafür und es liegt an ihm, dass er sein Leben und Alter nicht in einem tiefen Schlaf (der Unachtsamkeit) verbringt und sein Ziel und seine Verantwortung nicht aus den Augen verliert.

Das was ihr von unseren heiligen Imamen (ع) hört ist, dass sie geweint haben, obwohl sie die Leute des Gebets und des Gottesdienstes (Ahl al-Salat wal Ibadah) sind und die Leute der Erkenntnis und des Scharfsinns (Ahl al-Irfan wal-Basira) und nichts vor ihnen verborgen bleibt von den göttlichen Erkenntnissen. Und der Grund weshalb sie geweint haben ist genau diese tiefe Erkenntnis und ihrer Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Unsere Imame (ع), in dem Zustand in dem sie sind, weinen! Aber warum und aus welchem Grund? Es ist natürlich, dass das Nicht-Weinen ein Mangel und Makel in den Augen jener darstellt, welche solche Stufen erreicht haben. Jedoch was uns betrifft, so ist es nicht so. Wir sind damit beschäftigt, uns um die Angelegenheiten des Lebens zu kümmern, um das Essen und Trinken und andere Dinge. Und obwohl sich um solche Angelegenheiten zu kümmern kein religiöses Problem darstellt, so stellt es für Leute, wie uns, in manchen Fällen eine gewisse Barriere dar. Wer jedoch derart hohe Stufen der göttlichen Nähe erreicht hat, für den ist es sehr schwer auch nur einen Augenblick seines Lebens in einer Unachtsamkeit (über die Realität) zu verbringen, selbst wenn dieser Schlaf nur für den Zweck dient die wichtigsten Angelegenheiten des Lebens zu regeln. Und aus dem Grund weint er: Er weint aufgrund jener Momente. Ich und ihr, wir verstehen natürlich die Wirklichkeit dieses Weinens nicht und wundern uns daher, wie so ein kurzer Moment des Schlafes (der Unachtsamkeit) für solch ein merkwürdiges Weinen verantwortlich sein kann. Fürwahr! Sie erblicken was hinter dem Schleier zu erblicken ist. Doch uns ist dieser Einblick nicht gewährt.

Der Tag der Reue und des Schmerzes

Allah (swt) sagt in Bezug auf den Tag der Auferstehung: „Und warne sie vor dem Tag der Verbitterung, wenn alles entschieden werden wird.“ (Sure Maryam, 39) Jeder Moment ist Realität, und er könnte weniger als eine Sekunde andauern, doch euch die höchsten Stufen im Jenseits bereiten. Jedoch werdet ihr im Jenseits sehen, wie Millionen von Momenten im Diesseits für nichts verloren gegangen sind. Lässt diese Angelegenheit keine Reue entstehen?

Am Tag der Auferstehung gibt es genau diese Reue! Wenn ihr seht, wie ein Teil der Momente eures Lebens mit der Entfernung von dem eigentlichen, göttlichen Ziel verbracht wurden und der Entfernung von Allah. Und aus dem Grund gehört das Weinen zu den besten Taten. Das Weinen des Menschen über die Strafe nach dem Tod am Tag der Auferstehung, jener Tag, dessen Strafe viel schwerer sein wird, als die des Grabes. Dieses Weinen gehört zu den besten Taten. So sehen wir den Tod, wie er uns umgibt und können wir uns das Leid und die Einsamkeit des Grabes denn vorstellen? Und können wir dadurch aufwachen, bevor es zu spät ist?

Wir leben jetzt unter den Freunden und Geliebten und sind umgeben von den weltlichen Vergnügen und Freuden, jedoch wird es eine Zeit geben, welche in einer Stunde sein kann oder einem Jahr oder zehn Jahren, in der wir all unsere Geliebten und Vergnügen verlieren und einsam unter der Erde sein werden. In dem Moment, wird diese Einsamkeit und diese Entfernung, von dem woran sich der Mensch sein Leben lang gewöhnt hat, von den schwierigsten Angelegenheiten sein. Vor allem wenn er all seine Taten, die er im Diesseits verrichtet hat, vor sich sieht und zu spüren bekommt, dass die Fragen von Munkar und Nakir Haqq sind, wie wir in Ziyarat Aali Yaseen lesen.

Der Tag der Auferstehung, welcher nach unserem weltlichen Blick als schwer erscheint, ist in Wirklichkeit tausende Male schwerer als wir es uns vorstellen. Jedoch weil er uns momentan fern erscheint in unseren Augen, erkennen wir den Wert des Weinens über diese Angelegenheit nicht und dessen Nutzen am Tag der Reue.

Ihr liebt das Weinen über eure eigenen Seelen, jedoch unterlasst ihr es aus Scham. Jedoch Allah (swt) gebietet uns diese Angelegenheit nicht aus Scham zu unterlassen. Wenn ihr den Gottesdienst liebt, so verrichtet ihr ihn. Und keiner von euch soll sagen: Wenn ich zwei Rakaat verrichte, so werden die Anderen über mich sagen „dies ist ein Heuchler!“.

Mögen sie das doch sagen und mögen sie doch den Fehler begehen, jedoch solltet ihr deswegen (wegen dem Gerede der Leute) nicht diese Tat unterlassen!

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übersetzt von Maher el Ali
Quelle: http://www.leader.ir/

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