Kann man Allah sehen?

Die shiitische Rechtsschule lehnt den Gedanken ab, dass Allah gesehen werden kann. Der Allmächtige hat keinen Körper. Trotzdem behaupten einige Menschen, dass Allah Körperteile besäße. Salafiten/Wahabiten glauben sogar, dass Allahs Sitz auf einem Thron sei und diejenigen, die das Paradies betreten, dürften den Allmächtigen sehen. Diese Behauptungen werden durch Hadithe (Überlieferungen) gestützt, aber nicht durch Verse aus dem heiligen Quran. Hier sind einige dieser Hadithe:

  • „Unser Herr hatte, bevor er die Schöpfung erschuf, nichts bei sich. Unter Ihm war Luft. Über Ihm war Luft. Dann erschuf Er Seinen Thron auf Wasser.“ [1]
  • Am Tage des Jüngsten Gericht, wird die Hölle gefragt: „Bist du aufgefüllt?“ Es wird sagen: „Sind da noch welche?“ So wird Allah, der Gesegnete und Erhabene, Sein Bein reinlegen, woraufhin es sagen wird: „Nun bin ich voll!“ [2]
  • Wir saßen mit Rasulallah (ع), als er auf den Mond schaute und zu uns sagte: „Ihr werdet euren Herrn so sehen, wie ihr den Mond seht und ihr werdet beim Anblick Allahs nicht verletzt.“ [3]

[1] Sunan ibn Majah, Einleitung; Sunan al-Tirmidhi, Erklärung zu Sura Hud.  Musnad Ahmad ibn Hanbal, 4:11-12

[2] Sahih Bukhari, 3:128; 4:191; 4:129 von Anas und anderen. In einigen Überlieferungen wird „Fuß“ statt „Bein“ gesagt.

[3] Sahih Bukhari, 10:18, 20; Book on the Times of Prayers hadith #521 and #539; Interpretation of the Holy Qur’an hadith #4473; Monotheism hadith #6882, #6883, #6884; Sahih Muslim, Book on Mosques and Places of Performing Prayers hadith #1002; Tirmidhi, Book on the Description of Paradise hadith #2474; Abu Dawud, Book on the Sunnah, hadith #4104; Ibn Majah, Book on the Introduction, hadith #173; Musnad Ahmad ibn Hanbal 4:360, 362, 365

Die letzte Überlieferung sagt eindeutig aus, dass die Menschen Allah mit ihren physischen Augen sehen werden. Das bedeutet, dass Allah einen physischen Körper haben müsse und dass er körperlich einen Raum erobere; Imam Malik ibn Anas und Imam al-Shafi’i akzeptieren diese Meinung.

Die Meinung der Anhänger der Ahl-ul-Bayt ist, dass der Anblick Allahs unmöglich ist. Diese Sicht wird belegt durch den heiligen Quran und Logik. Der heilige Quran sagt ganz klar: „Die Sehkraft (der Menschen) (al-absaar) erreicht ihn nicht, wird aber von ihm erreicht. Und er ist der Allgütige (huwa l-latief) und ist (über alles) wohl unterrichtet.“ [4]

[4] Qur’an 6:102

Außerdem gibt es mehrere Beispiel, wo Menschen Allah fragen, ob sie Ihn sehen dürfen und der Allmächtige antwortet ihnen: „Und (damals) als ihr zu Moses sagtet:

  • „Wir werden dir nicht glauben, bis wir Allah klar und deutlich (dschahratan) sehen“! Da überkam euch der Donnerschlag, während ihr zuschautet.“ [5]
  • „Die Leute der Schrift verlangen von dir, dass du ein Buch vom Himmel zu ihnen herabkommen lässt. Von Moses aber verlangten sie etwas Größeres als dies, da sie sagten: „“Zeig uns Allah offensichtlich!““ Da traf sie der Blitzschlag wegen ihres Frevels. Danach nahmen sie sich das Kalb, nachdem ihnen doch deutliche Zeichen zuteil geworden waren: aber Wir vergaben das. Und Wir verliehen Moses offensichtliche Beweismacht.“ [6]
  • „Und diejenigen, die nicht damit rechnen, uns (am Tag des Gerichts) zu begegnen, sagen: „Warum sind (denn) keine Engel auf uns herabgesandt worden? Oder warum bekommen wir nicht unseren Herrn zu sehen?“ Sie bilden sich wahrlich viel ein und sind gar zu ungebärdig (la-qadi stakbaruu fie anfusihim wa-`atau `utuuwan kabieran).“ [7]
  • „Und als Moses zu unserem Termin kam und sein Herr mit ihm sprach, sagte er: „“Herr! Lass mich (dich) sehen, damit ich dich anschaue!““ Allah sagte: „“Du wirst mich nicht sehen. Aber schau den Berg an! Falls er (bei meinem Erscheinen) fest auf seiner Stelle bleibt, wirst du mich sehen.““ Als nun sein Herr dem Berg erschien, ließ er ihn (durch seine bloße Gegenwart) zu Staub zerfallen (dscha`alahu dakkan.). Und Moses fiel (wie) vom Blitzschlag getroffen (bewußtlos) zu Boden. Als er wieder zu sich gekommen war, sagte er: „“Gepriesen seiest du! (Wie konnte ich danach verlangen, dich anzuschauen!) Ich wende mich (reumütig) dir wieder zu und bin der erste von denen, die (an dich) glauben.“ [8]

[5] Qur’an 2:55

[6] Qur’an 4:53

[7] Qur’an 25:21

[8] Qur’an 7:143

Wenn es für die Gesandten Allahs unmöglich war, den Allmächtigen zu sehen, dann ist es für uns normalen Menschen ebenfalls unmöglich. Wir werden Allah weder im Diesseits noch im Jenseits sehen.

Logisch gesprochen heißt das, um ein Objekt zu sehen, muss dieses Objekt einige Eigenschaften besitzen. Als erstes müsste es eine bestimmte Richtung haben, wie vor oder rechts oder links vom Betrachter. Zweitens müsste es eine Distanz geben zwischen dem Seher und dem Gesehenem. Folglich würde es unmöglich sein etwas zu sehen, wenn die Distanz zu groß ist. Allah ist kein physisches Objekt, das wir genau erkennen können und letztlich sehen, noch bewohnt Er einen bestimmten Raum.

Einige Menschen legen Quran-Verse falsch aus, um ihre falschen Vorstellungen zu belegen. Im Quran steht: „Er ist der mächtige Herr über Seine Diener.“ [9] und „Sie fürchten ihren Herrn über sich und tun, was ihnen befohlen wird.“ [10] „Über sich“ bezieht sich auf Seine Macht über die Gläubigen. Es bezieht sich nicht auf Raum, Platz, Bereich, Höhenlage oder physischen Standort! Solche Eigenschaften betreffen nicht den Allmächtigen!

[9] Qur’an 6:61

[10] Qur’an 16:50

Imam Ali (ع) wurde von einem seiner Anhänger, Tha’lab al-Yamani, mal gefragt, ob er jemals Allah gesehen hätte. Imam Ali (ع) erwiderte: „Wie kann ich etwas anbeten, was ich nicht sehe?“ Als der Gefährte ihn fragte, wie er denn Allah gesehen hätte, sagte Imam Ali (ع): „Die Augen erreichen Ihn nicht durch physische Sicht, aber die Herzen mit dem wahren Glauben schon [11].“ Imam Jaafar as-Sadiq (ع) wurde einmal gefragt: „Kann man Allah am Tag des Jüngsten Gerichts sehen?“ Der Imam (ع) antwortete: „Er ist Erhaben über so etwas! Die Augen können Objekte wahrnehmen die Farben und Formen besitzen, aber Allah, der Erhabene, ist der Schöpfer der Farben und Formen!“

[11] Nahj ul-Balaghah

Vergleichbare Sachen wie „Hände“ oder „Gesicht“ sind bezogen auf Allah sinnbildlich gemeint. Die Hand Allahs bezieht sich auf Seine Macht und Kraft und Sein Gesicht bezieht sich auf andere Sachen. Der erste Schritt zum Monotheismus, zum Glauben an die Einheit Allahs, ist die Loslösung von solchen falschen Gedanken. Allah besitzt keinen Körper und wird niemals gesehen werden können.

„Es gibt nichts Seinesgleichen! Und Er ist Der Allhörende, Der Allsehende.“

Qur’an 42:11
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übersetzt von Hessam K.
Quelle: „Inquiries about Shi’a Islam” von Sayyid Moustafa Qazwini
Anmerkung: Übersetzung weicht leicht vom Original-Text ab

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