Ruqaya von Hanan Al-Maschat

Meine liebe Ruqaya, in meinem Herzen hast du dich eingenistet,
Sprich, welcher Tyrann hat es gewagt und dich zu Tode gerichtet,

Immer wenn ich ein Kind sehe, um die vier Jahre alt,
Kommt die Erinnerung an die Tragödie hoch, und an ein Kind das unschuldig strahlt,

Die bösen Machenschaften haben auch bei dir kein Halt gemacht,
Willst du nicht ein wenig berichten, wie es kam zu deiner letzten Nacht,

Berichte, dass du einst warst die jüngste Sklavin der Geschichte,
Zu der Ummayaden Zeit, das sagen die Aufzeichnungen und die Berichte,

Sprich aus deinem kindlichen Herzen heraus, was dich bedrückt,
Lass mich und die Welt erfahren, wer dich hat unterdrückt,

Wer besitzt die Grausamkeit ein kleines Kind wie du, rein und ehrlich,
So zu tyrannisieren, zu versklaven, zu geißeln, wie niederträchtig.

۞ ۞ ۞

Oh so gerne möchte ich genau erzählen wie es mir erging,
Aber all dies Leid zu beschreiben, dafür sind Worte zu gering,

Ich hab doch selbst viele Fragen, warum all das geschehen,
Verstand mit meinen vier Jahren wenig von dem Vorgehen,

Aber eine Frage schwirrt mir durch mein Bewusstsein immer mehr,
Warum nahmen sie mir meinen Vater weg, an ihm hing ich doch so sehr,

Er war mein ein und alles, so sehr liebte ich ihn,
Ich folgte ihm überall hin, ganz egal wohin,

Doch plötzlich war er nicht mehr da, wieso kommt er nicht zurück,
Das war das Einzigste, woran ich noch dachte, nach ihm stürzten wir alle ins Unglück,

Durst, Hunger und schwarze Streifen am Körper von den Peitschen Banu Ummayas,
Ich wollte nur meinen Vater sehen, und dabei alle Qualen vergaß,

In Damaskus angekommen, sahen wir die Menschen feiern als hätten sie ein Fest,
Mir wurde klar, Jazid bin Muawia hat die Menschen erblendet, gekauft oder erpresst,

Den unters Volk hat er gebracht, diese Sklaven seien aus dem Islam ausgetreten,
Hat die Menschen in die Irre geführt und sie behandelt wie Marionetten,

Von uns sind nur noch Frauen und Kinder übrig, und ein Mann die Schlacht von Kerbela überlebt,
Wäre er nicht krank gewesen, hätte er gekämpft bis zu seinem Tode, und die Kette der Imame wäre getrennt,

Doch es war nicht vorbei, in seinem Schloss befahl Jazid Imam Zain ul-Abidien umzubringen,
Wäre nicht meine Tante Zeyneb da, die tapfere Heldin, mit ihr musste er erstmal ringen,

Sie stürzte sich auf den kranken Imam, und rief mit Standhaftigkeit, Mut und voller Pein,
Wenn du sein Leben willst, Jazid, musst du vor der ganzen Versammlung hier nehmen erst mein,

Eine schwächliche Frau, die sich ihm in den Weg stellte, das ist ja ungeheuerlich,
Zeichen hat er seinen Soldaten gegeben, sie zum Schweigen zu bringen und zu löschen ihr strahlendes Licht,

Sein Berater winkte, beherrschen muss er sich vor der ganzen Menge,
Sonst erkennt man sein wahres Gesicht, und er gerät in Erklärungsnot vor dem Gedränge,

Durch die anschließende Rede von Zeyneb und Imam Zain ul-Abidien,
Erfuhren die benebelten Menschen alsbald die Wahrheit und wer wir sind,

Schließlich wurden wir alle ins Gefängnis gesteckt,
Wo ich eines Nachts aufwachte, von meinen Träumen geweckt,

Ich weinte und weinte und wollte nur meinen Vater sehen endlich,
Man brachte mir eine Schüssel, in der sein Kopf ruhte ewiglich,

Ich stürzte mich auf den Kopf meines Vaters, umarmte und küsste ihn voller Sehnsucht,
Und in dieser Umarmung hauchte ich meinen letzten Atem, im dunklen Kerker, in Damaskus.

۞ ۞ ۞

Salam liebe Ruqaya, deine Schia hat dich nicht vergessen,
Viel mehr hast du in ihren Herzen eine tiefe Wunde hinterlassen,

Bis heute und auf alle Ewigkeit besuchen sie dein Grab,
Und halten dich in Erinnerung, und sind bei dir immer auf Trab,

Der unstillbare Durst des Jazid bin Muawia nach Thron, Reichtum und Macht,
Ließ ihn all das stürzen, wofür dein Großvater großes Opfer aufbringen musste, und letztendlich vollbracht,

Für ihn hatte keine Bedeutung weder der Islam noch der Prophet noch die Hadithe,
Deren Verbreitung er strengstens untersagte, die Umma steckte in einer Krise,

Dein Vater Hussein wollte nicht untätig zusehen, wie alles zusammenbrach,
Und kämpfte an gegen Tyrannei und Unterdrückung zur Beendigung dieser Schmach,

Er war der Einzigste, der sich Jazids Heer stellte, aus 70 000 Mann und mehr,
Nicht etwa des Kalifats oder der Herrschaft willen, wie Blinde verbreiten umher,

Auferstehen will ich, um meine Umma zu reformieren, verkündete er
Und den Weg wieder einschlagen, den mein Großvater und mein Vater folgte nunmehr,

Jazid wich deutlich davon ab und zu der Jahiliya Zeit wäre die Kehr,
Wenn Hussein sich ihm nicht gestellt hätte und sich setzte zur Wehr,

Hussein kämpfte mit allem, was er besaß gegen Tyrannei,
Auch Ghandi lernte von ihm, wie man trotzdem siegt und ist unterdrückt dabei,

Zu Aschura gedenken wir jedes Jahr des Massakers von Kerbela,
Und der 72 Helden, die an der Seite Husseins kämpften mit einem Herzen aus Stahl,

Als wahre Sieger sind sie hervorgegangen, denn sie wurden in die Herzen eingeschlossen,
Doch Jazid und seine Leute, von denen keine Spur, über sie werden höchstens Flüche vergossen.

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