Was bedeutet Islamische Einheit?

– von Ayatullah Shaheed Murtadha Mutahhari

Was bedeutet islamische Einheit? Bedeutet es, dass eine islamische Denkschule einstimmig gefolgt und die andere beiseite gelegt werden soll? Oder heißt es, dass die Gemeinsamkeiten aller islamischen Denkschulen aufgegriffen und die Unterschiede verwerfen werden sollen, um eine neue Konfession zu schaffen, welche nicht genau die gleiche ist, wie die vorige? Oder meint es, dass islamische Einheit nichts mit der Einheit der verschiedenen Rechtsschulen zu tun hat, sondern die Einheit unter den Muslimen und die Einheit der Anhänger der verschiedenen Rechtsschulen betont, mit deren verschiedenen religiösen Ideen und Ansichten gegenüber dem Fremden?

Um eine unlogische und unnütze Bedeutung   für die Angelegenheit der islamischen Einheit zu geben, haben die Gegner dieser Sache es die Bildung einer einzigen Rechtsschule genannt, um es in den allerersten Schritt abzulehnen. Ohne Zweifel meinen die intellektuellen islamischen Gelehrten mit dem Begriff der islamischen Einheit nicht, dass alle Konfessionen in eine Konfession gewandelt, oder dass die Gemeinsamkeiten aufgegriffen und die unterschiedlichen Ansichten und Ideen dabei verwerfen werden sollen, zumal dies weder vernünftig und logisch noch vorteilhaft und praktisch ist. Mit der islamischen Einheit meinen diese Gelehrten, dass Muslime sich auf einer Linie gegen den gemeinsamen Feind vereinigen sollen.

Diese Gelehrten sagen, dass die Muslime viele Dinge gemeinsam haben, was für ein Fundament einer festen Einheit dienen kann. Alle Muslime beten den einen Gott an und glauben an das Prophetentum des heiligen Propheten (ص). Der Quran ist das Buch aller Muslime und die Kaaba ist ihre Richtung (Qibla). Sie gehen miteinander zu der Hajj-Pilgerfahrt und führen die Hajj-Riten und Rituale gleich aus. Sie sagen die täglichen Gebete und fasten miteinander. Sie bauen sich Familien auf und wickeln Geschäfte miteinander ab. Sie haben ähnliche Methoden ihre Kinder zu erziehen und ihre Verstorbenen zu beerdigen. Abgesehen von einigen kleinen Angelegenheiten, teilen sie sich Ähnlichkeiten in allen gesagten Dingen. Muslime haben eine gewisse Weltansicht, eine gemeinsame Kultur und eine große, herrliche und langdauernde Zivilisation.

Einheit in der Weltansicht, in der Kultur, in der Zivilisation, in der Einsicht und in der Gesinnung, im religiösen Glauben, im Gottesdienst und Gebeten, in sozialen Bräuchen und Sitten kann die Muslime sehr wohl in eine vereinte Gemeinschaft bringen, um als beständige und herrschende Kraft zu stehen, vor dem große globale Mächte sich zu beugen hätten. Die Muslime sind gemäß dem Wort des Qurans Brüder und spezielle Rechte und Pflichten verbinden sie. Warum also sollten die Muslime diese umfassenden Gelegenheiten nicht nutzen, die ihnen durch den Segen des Islams gewährt wurden?

Diese Gruppe der Gelehrten sind der Ansicht, dass es für die Muslime nicht notwendig ist, irgendwelche Kompromisse auf den primären und sekundären Grundsätzen ihrer Schule zugunsten der islamischen Einheit zu machen. Es ist weiter nicht nötig für die Muslime, dass sie es vermeiden, sich in Diskussion und Erörterung zu begeben sowie dem Schreiben von Büchern über primäre und sekundäre Grundsätze, über was sie uneins sind. Die einzige Überlegung für die islamische Einheit in diesem Fall ist, dass die Muslime – damit das Entstehen oder das Hervorheben von Rache vermieden wird – ihren Besitz bewahren, Beleidigungen und Vorwürfe vermeiden…, über die Logik eines anderen zu spotten und schließlich sich von dem Verletzen des Anderen zu enthalten und sich hinter die Grenzen der Logik und Beweisführung stellt. In der Tat sollten sie zumindest die Grenzen des Islams beachten, die er für das Einladen von Nicht-Muslimen gesetzt hat, um ihn anzunehmen:

 „Lade ein zum Weg Deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und debattiere mit ihnen auf die beste Art und Weise!…“ (16:25)

Einige Leute sind der Ansicht, dass die Rechtsschulen, wie die der Schafi’is und Hanafis, welche keine Unterschieden in den Prinzipien haben, eine Bruderschaft gründen sollten und eine Richtung sein sollten (in einer Linien stehen sollten). Sie glauben, dass die Konfessionen, welche Unterschiede in den Grundsätzen haben, keineswegs Brüdern sein können. Diese Gruppe betrachten die religiösen Prinzipien als eine vernetzte Zusammenstellung, welche von den Gelehrten des Usuls (Grundsätze) benannt wurde, als eine zusammenhängende und interdependente Reihe. Jeder Schaden, den ein Prinzip erleidet, erleiden somit alle.

Daher sind diejenigen, die an diesen Grundsatz glauben, der Ansicht, dass wenn bspw. der Grundsatz des Imamats beschädigt ist und schikaniert wurde, die Einheit und Brüderlichkeit keine Bedeutung mehr haben wird. Und deswegen können die Shiiten und Sunniten sich nicht die Hand geben wie zwei muslimische Brüder und auf einer Ebene sein, wer auch immer ihr Feind ist.

Die erste Gruppe antwortet der Gruppe, indem sie sagt: „Es gibt keinen Grund für uns, die Grundsätze als eine zusammenhängende Reihe anzusehen und dem Prinzip „alle oder keines“ zu folgen.“ Imam Ali (ع) hat einen sehr logischen und vernünftigen Ansatz gemacht. Er hat nichts unversucht gelassen, um sein Recht wieder zu bekommen. Er hat alles in seiner Macht stehende getan, um den Grundsatz des Imamats wieder herzustellen, aber er hat nie an der Ansicht festgehalten: Alle oder keines. Imam Ali (ع) stand für sein Recht nicht auf, und dieses war nicht obligatorisch. Auf der anderen Seite war es aber eine kalkulierte und ausgewählte Methode. Er hat keine Angst vor dem Tod gehabt, also warum stand er nicht auf? Es gäbe nichts, was besser wäre, als Märtyrer zu werden. Für die Sache des Allmächtigen getötet zu werden, war sein größter Wunsch. Er war dem Märtyrer-Sein vertrauter, als ein Kind an der Brust seiner Mutter. Aber in seiner klugen Berechnung, kam Imam Ali (ع) zum Schluss, dass unter den bestehenden Umständen, es dem Interesse des Islams zukommt, die Zusammenarbeit und das Miteinander unter den Muslimen gefördert werden muss und den Aufstand aufzugeben.

In einer seiner Briefe (Nr. 62, Nahjul Balagha) für Malik al Ashtar, schrieb er folgendes:

„Erst habe ich meine Hand zurückgehalten, bis ich die Rückfälligkeit derer erkannt habe, die sich vom Islam abgewendet haben und die Leute dazu aufriefen, die Religion von Muhammad (ص) zu vernichten. So befürchtete ich, dass wenn ich dem Islam und den Muslimen nicht geholfen hätte, während ich sah, dass es darin einen Riss oder Zerstörung gab, das Unheil darin für mich dann größer sein würde als der Verlust der Befehlsgewalt über euch.“

In dem sechs-Männer-Rat, nach der Ernennung von Uthman durch Abdul Rahman ibn Awf, brachte Ali (ع) seine Sache dar, sowie seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit, indem er sagte:

„Du weißt sehr wohl, dass ich das Kalifat mehr als alle anderen verdiene. Aber jetzt, schwöre ich bei Allah, dass solange die Angelegenheiten der Muslime in Ordnung sind und meine Konkurrenten damit beschäftigt sind, mich auf die Seite zu schieben, und ich alleine der Unterdrückung ausgesetzt bin, ich mich nicht widersetzen und (dem) nachgeben werde.“ (von der dritten Predigt, Nahj ul Balagha)

Dies weist daraufhin, dass in dieser Sache Imam Ali (ع) das Prinzip „Alle oder keines“ verurteilt. Es ist nicht nötig, diese Methode weiter auszuarbeiten, welche Imam Ali (ع) bei dieser Sache anwandte. Es gibt in dieser Hinsicht beträchtliche historische Beweise und Argumente.

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übersetzt von Jasmin M.

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