Bescheidenheit – Eine prophetische Eigenschaft
– Märtyrer Ayatollah Murtadha Motahhari
Auf alle Fälle erschreckten sie die Leute durch ihre prunkhafte Erscheinung, womit sie Respekt einflößten. Imam und Kalif Ali sagt im Nahdsch-ul-Balagha, dass Gott seine Propheten nicht mit solch weltlichen Pomp und Prunk ausstattete und die Propheten selber mochten auch nicht Pomp und Ruhm. Imam Ali (ع) fügt weiter hinzu, dass Moses (ص) und sein Bruder Aaron den Pharao besuchten, und sie waren ganz schlicht und einfach gekleidet, und in schlichter Weise riefen sie ihn auf, sich Gott zu unterwerfen. Imam Ali (ع) sagt:
„Als Moses, Sohn des Imran, mit seinem Bruder Aaron zum Pharao ging, trugen sie wollene Umhänge und hielten Hirtenstäbe in ihren Händen; sie garantierten dem Pharao, er könne das Land Ägypten behalten und seine Ehre würde fortdauern, wenn er sich Gott unterwerfe. Aber der Pharao sagte: ‚Wundert ihr (Hofleute) euch nicht, dass diese beiden Männer mir die Fortdauer meiner Ehre und das Behalten meines Landes garantieren, wiewohl sie wie arme Strolche ausschauen. Wären sie das nicht, warum haben sie keine Goldringe an ihren Handgelenken?’ Der Pharao sagte das so, weil er stolz auf sein Gold und die angesammelten Güter war, und er betrachtete Wolle und Wolltuch als wertlos.
Als Allah, der Gerühmte, Seinen Propheten entsandte, wenn Er gewollt hätte, für sie Schatzkammern und Lagerstätten mit Gold aufzutun, sowie bepflanzte Gärten und darinnen die Vögel des Himmels und die Tiere der Erde eingesetzt hätte, so hätte Er es vermocht. Hätte Gott so getan, dann hätte es keine Erprobung gegeben, keine Vergeltung und keine Nachricht (über das Jenseits). Jene, welche die Botschaft Gottes annehmen, hätte nicht die Vergeltung gegeben werden können, die nach der Prüfung fällig wird, und die Gläubigen hätten nicht die Belohnung für gute Taten verdient, und all diese Worte hätten ihren Sinn nicht behalten. Aber Allah, der Gerühmte, macht Seine Propheten fest in ihrer Entschlossenheit und gibt ihnen eine augenfällige armselige Erscheinung, zusammen mit Zufriedenheit, welche die Herzen und Augen mit Sorgenfreiheit erfüllt und mit Genügsamkeit ohne Habsucht. Falls die Propheten Macht (Autorität) besaßen, konnten sie nicht angegriffen werden, oder wenn sie Ehre besaßen, konnte sie nicht geschädigt werden, oder wenn sie Güter besaßen, nach denen sich die Leute die Hälse verrenkten, wäre es für die Leute sehr leicht gewesen, Lektionen zu suchen, und es wäre schwierig für sie gewesen, uneinsichtig zu sein. Die Leute hätten dann den Glauben aus Furcht angenommen oder aus Faszination und die Absicht aller Leute wäre die gleiche geblieben, wiewohl ihre Taten verschieden wären. Daher beschloss Allah, der Gerühmte, dass die Leute Seinen Propheten folgen sollten, Seine Bücher anerkennen sollten, demütig vor Seinem Antlitz bleiben sollten, Seinem Gebet gehorsam sein sollten und die Gottesknechtschaft mit Aufrichtigkeit annehmen sollten, und kein Jota von irgendetwas Anderem sollte darinnen sein; und je schwerer die Prüfung und Mühsal wären, desto größer auch sollten Belohnung und Vergeltung sein.“
[Quelle: Asch-Scharif Ar-Radi: Nahdsch-ul-Balagha Alis, Vol. 2, Teheran, Welt-Organisation für Islamische Dienste, 1979, pp. 406-407]
Der Pharao konnte nicht verstehen, wie Moses und Aaron in ihren schäbigen Kleidern und Holzstäbe haltend von ihm verlangten, er solle sich demütig ihrem Gott unterwerfen und seine Großartigkeit aufgeben. Die beiden Männer machten Bedingungen, als ob sie ihres Sieges sicher wären. Pharao dachte: Wenn diese beiden Männer eine erfolgreiche Zukunft hätten, würden sie da nicht ein besseres Aussehen, Gold, Juwelen und prunkhaftes Auftreten haben? Gold erschien dem Pharao als Faktor der Großartigkeit, und schäbige, abgetragene Kleider erschienen ihm als Zeichen der Niedrigkeit. So dachte er, falls Moses und Aaron in Kontakt mit Gott wären, so wären den beiden Gold, Ruhm und Schätze gegeben, zehnmal mehr als er selber besaß.
Im letzten Wort bezieht sich Imam Ali (ع) auf die Philosophie hinter der Entsendung von Propheten und warum sie Gott nicht mit weltlicher Pracht ausstattet; Imam Ali (ع) drückt die Realität aus, dass falls Gott die Propheten mit solchen Dingen ausgestattet hätte, wäre die Freiheit der Wahl aufgehoben worden, und der Glaube an Gott wäre erzwungen worden, weil Gold und Geld die Menschen geblendet hätten. Imam Ali (ع) sagt, solch ein Glaube wäre von allen Leuten angenommen worden, aber das wäre nicht der wahre gewesen. Wahrer Glaube ist nur dann, wenn er mit reiner Absicht und mit freiem Willen verbunden ist. Gott kann Propheten den Befehl über die Tiere gewähren, wie er es für Salomon (ع) tat, und sie können Vögel über ihren Häuptern herumkreisen lassen und so werden Zweifel an ihrem Prophetentum beseitigt. Aber Glaube, der aus Wundern kommt, ist zwanghaft. Solch ein Glaube ist nicht das Ergebnis intelligenter Wahl, denn wahrer Glaube wurzelt nicht in Gewalt und Zwang.
Was Wunder und Übernatürliches anbelangt, sollte gesagt werden, dass sie begehrenswert sind, soweit sie den Propheten helfen, Gründe für ihre Behauptungen zu geben. Aber darüber hinaus würde Anarchie ausbrechen, denn jedermann möchte ein Wunder zu seinem persönlichen Nutze haben, er möchte Eisen zu Gold verwandelt haben und so weiter.
Im Ganzen sollte noch einmal betont werden, dass Gott von seinen Propheten Prunk und Pracht fern hält, und sie wiederum suchen solches gar nicht. Unabhängig davon welche Macht und welcher Einfluss den Propheten von Gott gegeben wird, liegt sie einzig in ihrem kühnen Mut und in ihrer festen Entschlossenheit. Deswegen steht Moses (ص) mit einem einfachen Hirtenstab und Rosenkranz vor dem Pharao und spricht mit beeindruckender Fertigkeit. In der Tat, Gott gewährt seinen Propheten solche Zufriedenheit, dass ihre Augen und Herzen selbst mit wenigen Sachen gesättigt sind, und das führt zu einem schlichten und einfachen Leben, und Prunk und Pomp der Pharaonen wird in Stücke geschlagen.
Es wird in Geschichtsbüchern aufgezeichnet, dass Alexander der Große nach der Eroberung Irans und anderer Länder von den Leuten geehrt und gehuldigt wurde, außer vom berühmten Philosophen seiner Zeit, Diogenes, der von Muslims „Biuschank“ genannt wird, und den Mevlana Rumi in seinem hervorragenden Dichtwerk Divan-i-Schams erwähnt:
Gestern durchsuchte der Scheich die Stadt mit einem Licht, da sie mit Dämonen vollgestopft war und humane Sicht begehrte. Es wurde ihm gesagt: „Das kann nicht gefunden werden, wir haben schon gesucht.“ (Er sagte:) „Was nicht gefunden werden kann, ersehne ich Tag und Nacht.“
Auf jeden Fall warfen die Leute sich huldigend vor Alexander nieder. Diogenes weigerte sich aber, so zu tun. Alexander beschloss, ihn in eigener Person zu besuchen. Er begab sich in die Einöde, begleitet von einem großen Gefolge, denn Diogenes besaß kein Haus, er lebte in einem Fass. Als sie zu Diogenes kamen, nahm er gerade ein Sonnenbad, wie man das heutzutage nennt. Sie kamen dicht an Diogenes, dass das Wiehern der Pferde und der Klang der Rassel Diogenes störte. Er stand für eine Weile auf, aber bald legte er sich wieder nieder und beachtete sie nicht. Schließlich trat Alexander heran. Diogenes erhob sich und sie wechselten ein paar Worte. Dann sagte Alexander zu ihm, ob er irgendetwas für ihn tun könne, um seine elenden Lebensbedingungen zu erleichtern. Diogenes sagte: „Ja, geh mir aus der Sonne.“
Alexander kehrte zurück und die Generäle seiner Armee sprachen, welch ein Trottel doch Diogenes gewesen wäre, da er vom größten Imperator nichts verlangt habe. Aber Alexander, der vom hohen Geiste des Diogenes ernsthaft gedemütigt worden war, sprach ein Wort, das die Geschichte aufbewahrt hat; er sagte: „Wäre ich nicht Alexander, so möchte ich Diogenes sein.“ Die Realität jedoch ist, dass er schon als Alexander lieber Diogenes gewesen wäre.
Kurz, es ist Gottes Wille, dass die Propheten die Einfachheit und die Genügsamkeit suchen. Sie gewannen die Herzen nicht mit oberflächlichem Pomp und Ruhm, sondern vielmehr mit Schlichtheit und Einfachheit. Der Heilige Prophet des Islam (ص) verachtete weltliche Aufgeblasenheit und bekämpfte sie in seinem ganzen Leben. Wenn er sich beispielsweise entschloss, einen anderen Ort aufzusuchen, gestattete er seinen Gefährten nicht, als Eskorte aufzutreten. Wenn er ein Pferd ritt, so gebot er nicht den andern, ihm zu Fuß zu folgen und er bat sie , entweder voranzugehen oder, wenn möglich, gleichfalls auf einem Pferd zu reiten. Niemals gestattete er jemandem, ihm zu Fuß zu folgen, während er zu Pferde ritt, weil er das für ein ungehöriges Verhalten betrachtete. Wann immer er Treffen mit seinen Gefährten hielt, bat er sie, sich in einem Kreise niederzusetzen, so dass jeder in einer gleichen Position war. Niemals nahm er bei Sitzungen einen Ehrensitz ein; er wollte nicht, dass andere sich ihm unterlegen fühlten. Er hing immer an der Einfachheit und Schlichtheit bis zu seinem letzten Atemzuge, und ihm dünkte das als ein Führer gebieterisch.
Imam Ali (ع) verhielt sich auch so während seines Kalifats, denn der Islam verbietet den muslimischen Führern, pompös zu sein. Ihre Großartigkeit und Pracht liegt in ihrer Spiritualität und Selbstgenügsamkeit, nicht im Äußeren. Zur Zeit seiner Regierung reiste Imam und Kalif Ali einstmals nach Klesiphon (Irak) und besuchte den berühmten Palast des sassanidischen Großkönigs Anuschirvan. Dort rezitierte einer der Gefährten ein Gedicht über die Treulosigkeit der Welt – die Könige sterben dahin und lassen ihre Paläste zurück. Ali bat ihn stattdessen die Verse des Heiligen Qur’an zu rezitieren:
Wie zahlreich waren die Gärten und die Quellen, die sie zurückließen! Und die Kornfelder und die ehrenvollen Stätten! Und die Annehmlichkeiten, die sie genossen! (Heiliger Qur’an, Sure 44, Vers 25-27)
Als Imam Ali (ع) das Grenzland Persiens betrat, begrüßte ihn eine Schar Ältester und Häuptlinge am Dorfrande, da sie von seiner Ankunft hörten, und wie es ihre Sitte war, begannen sie, vor ihm herzurennen. Ali gebot ihnen Einhalt und er fragte sie, warum sie so täten. Sie erwiderten: „Es ist bei uns Sitte, die Aristokraten in dieser Weise zu ehren, und so taten wir für dich.“ Imam Ali (ع) sagte: „Ihr erniedrigt euch tatsächlich in dieser Weise und das nützt den Aristokraten nicht im geringsten. Ich mag solch ein Getue nicht, denn ich bin ein Menschenwesen wie ihr, und ihr seid freie Männer. warum macht ihr dieses Getue?“ Wir sehen daher, wie Ali ein schlichtes und einfaches Leben führte, und er hatte nur wenige Sachen.
Es gibt eine Überlieferung (Hadith), die auch von sunnitischen Glaubensgeschwistern erzählt wird:
Omar Ibn Al-Khattab (der spätere zweite Kalif) betrat einstmals das Zimmer des Heiligen Propheten; der Prophet hatte gerade seine Frauen vor die Wahl gestellt, entweder klaglos einverstanden zu sein und ein schlichtes und einfaches Leben weiterzuführen oder die Scheidung zu erhalten. Einige der Frauen des Propheten hatten sich nämlich bei ihm beklagt, sie müssten ein sehr einfaches Leben führen, und sie baten ihn, er solle einen großen Anteil seines Beutegutes an sie herausrücken. Der Prophet sagte ihnen, dieses Leben würde bis zu seinem Ende schlicht und einfach sein, und sie müssten sich damit abfinden, andernfalls, wenn ihnen so ein Leben nicht passe, würde er sich von ihnen scheiden lassen und sie sehr gut abfinden. Einmütig sagten sie, dass sie ein schlichtes und einfaches Leben (an seiner Seite) doch bevorzugen würden. Omar erfuhr von dieser Sache und dass sich der Prophet geärgert habe, und so wollte Omar den Propheten besuchen. Er erreicht die Zimmertüre, aber ein schwarzer Diener, der als Türsteher fungierte, verweigerte ihm den Zutritt. Omar sagte dem Mann, er solle dem Propheten sagen, Omar wäre an der Türe. Der Mann ging hinein, kam zurück und sagte, der Prophet habe kein Wort geäußert. Omar bat zum zweiten Mal um die Erlaubnis, eintreten zu dürfen und beim dritten Mal durfte er eintreten. Omar soll berichtet haben: „Ich trat ein und sah, dass der Heilige Prophet auf einer Matte aus Palmfasern ruhte und, die Matte war das einzige Interieur. Als der Prophet mich sah, erhob er sich, und ich bemerkte die groben Eindrücke, welche die Matte auf seinem heiligen Körper hinterlassen hatte. Ich wurde besorgt und ich fragte ihn, warum er so leben müsse. Die sassanidischen Großkönige und die römischen Kaiser würden doch Gottes Wohltat und Reichtum genießen! Warum müsse er als Prophet Gottes so ein kärgliches Leben führen. Meine Worte verärgerten den Heiligen Propheten, und stehend sagte er: ‚Welch Sinnloses sprichst du da? Hat sich die Welt enthüllt und dich fasziniert und deine Augen betört? Dünkt dir, der Mangel an weltlichen Gütern sei Verelendung für mich? Und meinst du, sie zu haben, sei ein Segen? Ich schwöre bei Gott, dass all solche Dinge die Muslime besitzen werden, aber auf diese (Dinge) braucht man nicht stolz zu sein!’ “
Solcherart war die Lebensart des Heiligen Propheten, und als er verschied, hatte er keine weltlichen Güter (keine beweglichen Dinge!) an seine einzige Tochter, an die hohe Herrin Fatima, zu vererben, wiewohl die Elternliebe gewöhnlicher weise etwas fürs eigene Kind zurücklässt. Im Gegenteil, einstmals betrat der Heilige Prophet Mohammed (ص) die Hütte der Fatima, und er gewahrte, dass sie ihre Hand mit einem Silbergeschmeide geschmückt hatte und ihre Hütte mit einem wertvollen farbigen Teppich. Er ging sofort hinaus, ohne ein Wort zu sagen, obwohl er seine Tochter Fatima tief liebte. Jetzt begriff Fatima, dass ihr Vater nicht wollte, dass sie irgendetwas Überflüssiges besitze. Denn damals gab es die Leute der Suffa. So bat Fatima jemand, das Silberarmband und den Teppich zum Propheten zu bringen. Der Überbringer traf den Propheten und sagte:
„O Gottesgesandter! Deine Tochter schickt diese Sachen zu dir, damit du sie verwendest, wie du möchtest.“ Der Heilige Prophet freute sich sehr und sagte: „Ich möchte gerne mein Leben für Fatima hergeben.“
Für die Hochzeit der Fatima wurde nur ein einziges neues Kleid gekauft, und dazu hatte sie noch das alte Kleid. In der Hochzeitsnacht klopfte eine Bettlerin an die Hüttentür und sagte: „Ich bin nackt, gibt es keinen Menschen, der mich kleidet?“ Niemand wollte der Bettlerin etwas geben. Fatima, die Braut, zog ihr Hochzeitsgewand aus, legte wieder das alte Kleid an und gab das Hochzeitsgewand der Bettlerin, denn solche prächtigen Sachen bedeuteten ihr nichts.
Als sie später das Gut Fadak als Erbe haben wollte, so nur deshalb weil das Gut ihrem Vater gehörte und weil sie nach islamischem Erbrecht als einzige Tochter erbberechtigt war. Es ging ihr nicht um den ökonomischen Wert des Landgutes an sich. Hätte sie auf das Landgut freiwillig verzichtet, so hätte sie sich der Unrechtshandlung des ersten Kalifen Abu Bakr unterworfen, und das wäre Sünde gewesen. Das Landgut Fadak hatte tatsächlich einen Wert für Fatima, aber weniger von einem materiellen Standpunkt aus, sondern von einem gesetzlichen Standpunkt aus. Hätte das Landgut Fadak irgendeinen materiellen Wert für Fatima gehabt, so hätte sie mit dem Ertrag den Armen und Bedürftigen geholfen. Sie selbst, ihr Vater, ihr Ehemann Ali und ihre beiden Söhne (Hassan und Hussein) waren großherzig genug, um Besitztümer mehrfach wertvoller als Fadak zum Wohlgefallen Gottes (d.h. für karitative Zwecke) herzugeben.
So sehen wir, dass Fatima ebenfalls den Verhaltensweisen ihres Vaters in ihrer gesamten kurzen Lebensspanne folgte.
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Quelle: „Sira-i-Nabawi“