Die 5. Predigt von Imam Ali bin Abi Talib (ع) – Predigt nach dem Tode des Propheten

Oh Leute!

Steuert durch die Wellen der Verderbnis mit Booten der Erlösung, wendet euch ab vom Weg der Zwietracht und entfernt die Kronen der Hochmut. Erfolgreich ist jemand, der mit Flügeln aufsteht (d.h. wenn er die Kraft besitzt) oder friedlich bleibt, damit andere Bequemlichkeit genießen. Es (d.h. die Sehnsucht nach dem Kalifat) ist wie trübes Wasser oder wie ein Bissen, das dich ersticken lässt, wenn du es hinunterschluckst. Jemand, der die Frucht vor dem Reifeprozess pflückt, ist wie jemand, der auf ein anderes Acker anbaut.

Wenn ich mich äußere, wirft man mir Machtgier vor und wenn ich schweige, wird man sagen: „Er hatte Angst vor dem Tod“. Es ist schade nach all den Höhen und Tiefen (durch die ich geschritten bin). Bei Allah, der Sohn von Abu Talib, ist vertrauter mit dem Tod, als das Kind mit der Brust seiner Mutter. Ich habe Kenntnis über das Verborgene. Wenn ich es bekannt gebe, werdet ihr zittern wie Seile in einem tiefen Brunnen.“

Als der heilige Prophet starb, war Abu Sufyan nicht in Medina. Er kam gerade zurück, als er auf seinem Rückweg von der Tragödie hörte. Sofort erkundigte er sich, wer Führer und Nachfolger geworden war. Ihm wurde berichtet, dass die Menschen Abu Bakr den Treueid geschworen hatten. Als er dies hörte versank der bekannte Unruhestifter von Arabien in tiefe Gedanken und ging schließlich mit einer Idee zu Abbas ibn Abd al-Muttalib. Er sagte zu ihm: „Schau, diese Leute haben das Kalifat für die Taym genommen und die Banu Hashim dieser Sache beraubt und nach ihm wird dieser Mann einen hochmütigen Mann von der Banu Adi zu unserem Oberhaupt ernennen. Lass uns zu Ali ibn Abi Talib gehen und ihn auffordern, aus seinem Haus raus zukommen und die Waffen zu ergreifen um seine Rechte zu verteidigen.“

Er ging mit Abbas zu Ali und sagte: „Gib mir deine Hand. Ich verspreche dir meine Treue und sollte jemand gegen dich sein, so werde ich die Straßen von Medina mit Männern der Kavallerie und Infanterie füllen.“ Das war ein schwieriger Moment für Amir al-Muminin. Er betrachtete sich als der wahre Nachfolger des Propheten, indessen war ein Mann wie Abu Sufyan bereit ihn zu unterstützen. Ein kleines Zeichen würde reichen und die Kriegsflammen würden sich entzünden. Aber Amir al-Muminins Voraussicht und richtige Entscheidung sollten die Muslime vor einem Bürgerkrieg schützen. Ihm war klar, dass dieser Mann (Abu Sufyan) einen Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Stämmen plante, sodass er den Islam bis zu seinen Wurzeln erschüttert. Amir al-Muminin lehnte deshalb die Worte von ihm (Abu Sufyan) ab und ermahnte ihn. Es gäbe zwei Möglichkeiten: Entweder er greift zur Waffe oder er sitzt ruhig im Haus. Wenn er sich zum Krieg erhebt, hat er keine Anhänger, sodass er die Aufstände nicht niederschlagen kann. Die einzige Möglichkeit ist, ruhig zu bleiben und geduldig sein, bis sich die Lage zum Positiven wendet.

Amir al-Muminins Geduld in dieser Lage war ein Beweis für seine hohe Politik und Weitsicht. Denn, wenn in dieser Situation Medina zum Zentrum des Krieges geworden wäre, würde sich der Krieg auf ganz Arabien ausbreiten. Die Uneinigkeit zwischen den Muhajirun (die Auswanderer aus Mekka) und der Ansar (die Einwohner von Medina) würde sich enorm vergrößern und das Schiff des Islams würde im stürmischen Ozean nur schwer steuerbar sein. Amir al-Muminin erduldete Leid und Drangsal, aber erhebte nicht seine Hand. Die Geschichte beweist, dass auch der Prophet zu seiner Zeit in Mekka geduldig und ausdauernd verharrte, weil er wusste, dass ein Krieg zu jenen Tagen die Ausbreitung des Islams stoppen würde und alles wäre umsonst. Als er Gefährten hatte und Helfer sammelte, konnte er in die Offensive gehen. Er benötigte als erstes genügend Helfer, um eine Chance im Kampf gegen die vielen Ungläubigen zu haben. Imam Ali folgte den Spuren des Propheten und wollte zuerst genügend Anhänger und Verbündete sammeln, bevor er eine Revolution startet. Um erfolgreich zu sein, musste Amir al-Muminin abwarten. Deshalb sagte er: „Es (d.h. die Sehnsucht nach dem Kalifat) ist wie trübes Wasser oder wie ein Bissen, das dich ersticken lässt, wenn du es hinunterschluckst. “ Der Bissen bleibt im Halse stecken und man kann sich weder übergeben, noch den Bissen hinunterschlucken. Imam Ali durfte nicht überstürzt reagieren.

Er erklärte seine Idee mit anderen Worten: „Wenn ich Umsturzpläne hätte, um die unreife Frucht des Kalifats zu pflücken, so wäre der Obstgarten ruiniert und ich würde keinen Nutzen haben, genauso wie diese Leute, die ein fremdes Acker bebauten, es aber nicht zur rechten Zeit bewässern und ihre Feldfrüchte nicht ernten. Wenn ich diese Menschen auffordere, das Acker zu verlassen und es seinem Eigentümer zu überlassen, wirft man mir Habgier vor und wenn ich mich zurückhalte, habe ich Angst vor dem Tod. Sie sollen mir sagen: „Bei welchem Ereignissen hatte ich Angst? Bin ich jemals vor Kampfplatz geflüchtet?“ Der Tod ist mir vertrauter, als das Kind mit der Mutterbrust. Der Grund für meine Zurückhaltung ist das Wissen, das mir der Prophet in die Brust gelegt hat. Wenn ich es enthüllen würde, wärt ihr verwirrt und bestürzt. Lasst einige Tage vergehen und ihr werdet meine Untätigkeit begreifen und mit euren eigenen Augen erkennen, welche Menschenarten auf der Bühne im Namen des Islams auftreten und welche Zerstörung sie bringen werden. Mein Schweigen beruht auf die Ereignisse, die geschehen werden, aber es ist kein Stillschweigen ohne Grund.

[…]

___________________
übersetzt von Hessam K.
Quelle: „Nahjul-Balagha“
Anmerkung: Die Übersetzung ist nicht vollständig und weicht leicht vom Original ab.

Das könnte dich auch interessieren …