Die Ungläubigen – Theodor Fontane
Der du dich nennst verständig,
Wie lange rennst unbändig
Und deinem Herrn abwendig
Du deinen Thorenlauf?
Verachtest die Belehrung,
Verweigerst die Bekehrung
Und scheuest die Beschwerung
Der Pflicht, die dir liegt auf.
Und malmt dich nicht die Bahre,
Und nicht die grauen Haare,
Und nicht die Flucht der Jahre?
Ist denn dein Ohr schon taub?
Du stehst vor deiner Krippe
Und siehst, wie das Gerippe
Schwingt hinter dir die Hippe,
Und zitterst nicht wie Laub?
Gesäugt an Thorheits Brüsten,
Gegängelt von den Lüsten,
Irrgehend in den Wüsten,
Wirst du des Todes Raub.
O horch, der Löwe brüllet,
Der seinen Schlund nie füllet.
Doch du, von Wahn umhüllet,
Willst füllen deinen Bauch.
Wie lange willst du irren,
Wie wilde Tauben girren,
Wie Nachtgevögel schwirren
In jedem dunklen Strauch?
Wie lang in Frevel scherzen
Und nicht bereun von Herzen?
Wie lang dein Antlitz schwärzen
Mit eklem Sündenrauch?
Vor deines Herren Strafen
Willst du nur sorglos schlafen;
Und dann, wann sie dich trafen,
Wachst du mit Winseln auf.
Der Wahrheit ein Empörer,
Der Mahnung trotz’ger Hörer,
Bereit, mit dem Bethörer
Zu schließen jeden Kauf;
Wie lange willst du schnaufen
Und Herzeleid dir kaufen?
Zusammenscharren Haufen,
Bis man dich scharrt zuhauf!
Wie lange wird es währen,
So wird es dir sich klären;
Dann weinst du blut’ge Zähren
Und seufzest Flammenrauch.
Mir ist, als ob ich sähe,
Wie ein dich schlingt die Jähe
Des Grabs, und deine Zähe
Wird mürb‘ an seinem Hauch.
Da muss der Leib sich strecken,
Dass ihn die Würmer schmecken;
Dann wird man dich erwecken
Und sammeln deinen Staub.
O schaue nicht zurücke.
Vor dir steht dort die Brücke,2)
Als ob ein Schwert sich zücke;
Darüber geht dein Lauf.
Und hier ist das Gefilde,
Wo Gilde nicht der Gilde,
Und Blutsfreund nicht zum Schilde
Dem Blutsfreund dienet auch.
O rüste dich beizeiten!
Dort werden für dich streiten
Nur deine Frömmigkeiten
Und der Gebete Hauch.
Verwende du, zum Frommen
Dir selbst und allen Frommen,
Das Gut, das zugekommen
Von Gott dir zum Gebrauch.
Sei aller Schwachen Steuer
Und aller Armen Scheuer
Und aller Kalten Feuer
Und aller Durst’gen Schlauch.
Sei gegen Güt’ge gütig,
Nicht gegen Wüt’ge wütig,
Und wiege übermütig
Im Glücke nicht dein Haupt.
Nicht fahre hoch in Lüften
Und schwelge nicht in Düften,
Bedenke, dass in Grüften
Der Erde Luft verstaubt.
Gieb, was du hast, zum Troste
Und sammle nicht dem Roste.
Schatte, bevor vom Froste
Wird dein Gezweig entlaubt.
O staple nicht und speichre,
Versage nicht noch weigre,
O gieb und dich bereichre
Mit Segen, den nichts raubt.
Gewöhne deine Hände,
Zu geben Spend‘ um Spende,
So giebst du leicht am Ende
Dein Leben selber auf.
Dies sind, die ich dir gebe,
Die Lehren, danach lebe,
Und dann vor’m Tod nicht bebe;
Heil dem, der hört und glaubt!