Nach dem 11. September entschloss sie sich den Hijab zu tragen

– Interview mit der Iranerin Azadeh Zainab Sharif

F: Mich interessiert deine Erziehung. Wurdest du islamisch erzogen?

A: Ja, aber mein Vater war nicht besonders religiös. Wir fasteten zwar im Monat Ramadan und aßen kein Schweinefleisch, aber wir beteten nie gemeinsam. Mein Vater wurde groß mit dem Islam, doch er praktizierte seine Religion nicht sonderlich. Ich denke, dass es für ihn mehr eine Tradition war als eine Religion. Etwas was er tat, weil es ihm so beigebracht wurde.

F: Du wurdest irgendwann religiös und jetzt trägst du sogar den Hijab­1, um dich zu bedecken. Was führte dich zu dieser Entscheidung?

A: Als ich 18 Jahre alt wurde, beschloss ich mehr über meine Herkunft zu erfahren. Ich nannte mich schließlich eine Muslima, aber wusste ich nicht, was das bedeutet. Ich fühlte diese innerliche Leere in mir, so als würde etwas fehlen. Ich begann den Koran zu lesen und fing an zu beten. Ich wusste noch wie man betet, da ich während meines vierten bis siebten Lebensjahres im Iran zur Schule ging. Ich betete so, wie ich es damals gelernt hatte. Keiner aus meiner Familie wusste etwas davon. Ich wollte, dass es niemand erfuhr, denn es handelte sich um eine Beziehung zwischen mir und Gott.

F: So wurdest du eine praktizierende Muslima?

A: Es war ein sehr langsamer Prozess, bis ich religiös wurde, den Islam lernte und mich Gottes Willen unterwarf. Dieser Prozess hört niemals auf. Wir können uns immer weiter verbessern und Gott näher kommen.

F: Erzähl mir über deinen Alltag. Was machst du täglich?

A: Ich bete fünfmal am Tag. Das ist der Hauptteil.

F: Das ist eines der fünf Säulen des Islams, richtig? Wo betest du? In einer Moschee?

A: Zu Hause, in der Schule, in der Moschee – überall. Manchmal bin ich draußen unterwegs mit meinen Freunden und ich sage dann plötzlich: „Ich muss beten.“ Dann gehe ich einfach und verrichte mein Gebet. Es spielt keine Rolle, wo ich bin.

F: Wofür betest du?

A: Ich bitte Gott stets um Rechtleitung und bedanke mich für alles und jeden in meinem Leben.

F: Kannst du ein konkretes Beispiel geben, wofür du mal gebetet hast?

A: Ich erzähl dir von einem besonders wichtigen Ereignis. Bei meiner Tante wurde Eierstockkrebs diagnostiziert. Jeder in der Familie begann für sie zu beten. Ich betete besonders viel an dem Tag, als sie operiert werden musste. Als ich von der Schule nach Hause kam, sagte mir meine Mutter, dass sie meine Tante operieren wollten und plötzlich feststellten mussten, dass der Krebs verschwunden war. Das war das größte Wunder, was ich persönlich bezeugen konnte.

F: Was hat sich für dich geändert, seitdem du eine gläubige Muslima bist? Was hast du bei dir persönlich festgestellt?

A: Davor tat ich vieles, ohne ein wirkliches Ziel zu haben. Jetzt, wenn ich etwas tue, bemühe ich mich Gutes zu tun, damit Gott mit mir zufrieden ist. Ich denke, dass wir deshalb auf dieser Erde sind. Das Leben ist eine Prüfung, damit wir sehen, wer Gott näher kommt. Es ist eine Prüfung, die uns aufzeigt, wo wir im nächsten Leben hinkommen werden.

F: Du meinst, ob wir in die Hölle oder in den Himmel kommen?

A: Ja. Als Muslima glaube ich daran, dass es den Tag des Jüngsten Gerichts geben wird und jeder vor Gott gebracht wird.

F: Hast du Angst vor dem Tod?

A: Als Kind hatte ich wahnsinnige Angst vor dem Tod, weil ich nichts über das Leben nach dem Tod wusste. Jetzt bin ich nicht mehr besorgt. Das einzige, worüber ich mir Sorgen mache, ist der Moment, an dem ich vor Gott gebracht werde und mein Leben nicht so gut war, wie es sein könnte. Der Gedanke, dass Er nicht zufrieden ist mit mir. Gott ist barmherzig und ich hoffe, dass Er mir vergeben wird.

F: Ich möchte dich über dein Kopftuch fragen. Du hast dich nach dem 11. September dafür entschieden. Was war der Grund dafür?

A: Ich lernte viel über den Islam während dieser Zeit und wurde religiöser. Ich entschied mich nicht wegen dem 11. September ein Kopftuch zu tragen. Es gab mir nur einen Ruck. Viele Frauen hatten Angst Hijab zu tragen, weil sie Diskriminierungen befürchteten. Das tat mir sehr weh. Ich meine, wenn man es für Gott trägt, vertraut man da nicht auf Gottes Schutz?

F: Waren die Leute überrascht, als sie dich plötzlich mit einem Kopftuch sahen? Es unterscheidet sich schließlich sehr stark von der Kleidung anderer Frauen, die in deinem Alter sind.

A: Aktuell werde ich stärker respektiert. Die Männer hupen nicht mehr, wenn ich an ihren Autos vorbei gehe. Bei der Arbeit sind die Leute sehr neugierig. Sie wollen mehr darüber wissen. Vor allem wieso ich es trage.

F: Was erzählst du ihnen?

A: Dass ich es wegen der Sittsamkeit trage. Ich trage es, weil Gott uns gesagt hat, unseren Körper zu verhüllen und nicht vor anderen Menschen zu zeigen. Es ist eine Art von Schutz. Ein Kopftuch zu tragen, bedeutet sich selber zu respektieren und sich nicht Anderen zu verkaufen. Ich bin nicht billig. Ich denke nicht, dass man mir einen Preis geben kann. Niemand hat ein Recht zu sehen, wie ich unter dem Hijab aussehe.

F: Das Kopftuch grenzt dich von anderen Menschen ab. Hast du eigentlich Angst?

A: Ich habe Angst vor niemanden. Gott ist der Beschützer aller Menschen. Es ist nicht nötig sein Leben in Angst zu verbringen. Wenn meine Todesstunde geschlagen hat, dann muss ich sterben.

F: Was machst du, wenn dich jemand aufgrund deines Glaubens angreift?

A: Wenn mich jemand töten will, dann ist das sein Problem. Sie müssen dann Gott antworten, da ich niemanden etwas getan habe. Die Menschen vergessen, dass der Islam eine friedliche Religion ist. Der Islam fördert keine Gewalt.

[1]Hijab: Mit dem Wort Hijab ist die körperverhüllende Kleidung gemeint, die Muslimas tragen müssen. Der Koran schreibt sowohl Männern als auch Frauen „sittsame Kleidung“ vor. Das islamkonforme Verhalten ist eng verbunden mit den Kleidungsvorschriften.

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übersetzt von Hessam K.
Quelle: www.sfgate.com
Anmerkung: Übersetzung weicht leicht vom Original ab

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