Schahadat Ali al-Akbar, Abbas, Qasim und Sukaina (ع)
Am 7. Muharram wurde das Wasser knapp, dennoch teilte Sukaina (ع) ihre noch so kleine Menge mit den anderen Kindern. Doch bald war gar kein Wasser mehr da, und die durstigen Kinder schauten mit Hoffnung auf Sukaina.
Sukaina (ع) weinte, weil sie ihnen nichts geben konnte. Selbst ihre Lippen waren schon vor Durst vertrocknet.
Ali al-Akbar (ع) hatte eine laute Stimme. Er war es, der immer den Adhan rezitierte. Am Morgen des Tage Ashura (dem 10. Muharram) rezitierte er auch den Adhan und jeder wusste, dass sie ihn zum letzten Mal hören würden. Imam Hussain (ع) begann zu weinen, als er seinen Sohn hörte. Auch die Frauen konnte man weinen hören. Nach dem Zuhr Gebet bat Ali al-Akbar seinen Vater, auf das Schlachtfeld gehen zu dürfen. Imam Hussain (ع) stimmte zu, doch bat er ihn, sich die Erlaubnis Hazrat Zaynabs zu holen. Doch auch diese gab ihm, jedoch schweren Herzens, die Erlaubnis. Jedes Mal wenn er aus dem Zelt der Frauen rausgehen wollte, legten seine Mutter, Tanten und Schwestern die Abaya über und sagten: „Oh Ali al-Akbar, wie können wir ohne dich leben!“ Doch endlich kam Imam Hussain (ع) und setzte sich für seinen Sohn ein, ihn gehen zu lassen.
Er half seinem Sohn aufs Pferd auf und als dieser zum Schlachtfeld abzog, erhob Imam Hussain (ع) zum Himmel und sprach: „Oh Allah, sei Zeuge dafür, dass ich meinen Sohn, der an deinen Propheten Mohammed (s.a.a.s.) erinnert, geschickt habe; und wenn immer ich wünschte eine Wallfahrt zu meinem Großvater zu machen, habe ich auf Ali al-Akbar geblickt.“
Ali al-Akbar hörte Schritte hinter sich und als er sich umdrehte, erblickte er seinen Vater. Er sagte: „Vater, wir haben uns verabschiedet. Warum läufst du hinter mir?“ Der Imam antwortete: „Mein Sohn, wenn du auch einen achtzehnjährigen Sohn hättest, wüsstest du, was ich fühle.“
Ali al-Akbar (ع) kämpfte sehr tapfer. Er tötete viele wohlbekannte Krieger. Umar Sa’ad befahl seinen Soldaten den jungen Mann zu erledigen und sprach: „Wenn er stirbt, wird Imam Hussain (ع) nicht leben wollen! Ali al-Akbar ist das Leben Hussains (ع)“. Die Soldaten kreisten Ali al-Akbar ein. Steine, Speere und Pfeile wurden auf ihn abgefeuert. Einer der Pfeile traf seine Brust. Er fiel vom Pferd und rief: Mein Vater! Meine letzten Grüße zu dir“. Der Imam ging der Stimme nach und fand seinen Sohn, mit seiner rechter Hand auf seiner Brust. Er nahm seinen Sohn in seine Arme. Doch Ali legte nur seinen linken Arm um des Imams Schulter. Dieser fragte ihn: „al-Akbar, warum umarmst du mich nur mit einem Arm?“ Er bewegte sanft die rechte Hand Alis und sah die Spitze des Speers. Er zog sie mit beiden Händen raus und rief in Richtung Najaf: „Vater, auch ich bin zu meiner Khaiber gekommen“. Dann machte Ali al-Akbar seinen letzten Atemzug. Imam Hussain (ع) sagte: „Bunayya, Bunayya, a’lad dunya ba’daka ala’thaa! (zu deutsch: Mein Sohn, mein Sohn! Nach dir ist die Welt so wertlos wie Staub!)“ Er trug seinen Sohn zu den Zelten.
Auch Qasim (ع), der jüngste Sohn Imam Hassans (ع) bat Imam Hussain (ع) auf das Schlachtfeld gehen zu dürfen. Der Imam jedoch, ließ ihn nicht gehen und begründete dies damit, dass Qasim (ع) für ihn eine Erinnerung an seinen Bruder Hassan (ع) sei und er ihn nicht vor sich sterben sehen will. Qasim (ع) war sehr enttäuscht und ging zum Zelt seiner Mutter Umm e Farwa. Diese bemerkte, warum ihr Sohn so traurig war und erinnerte sich, dass ihr Imam Hassan (ع) kurz bevor seinem Tod einen Brief gab mit den Worten: „Wenn du Qasim jemals in Schwierigkeiten siehst, gib ihm diesen Brief“. In dem Brief war geschrieben: „Mein Sohn Qasim, ein Tag wird kommen, an dem mein Bruder Hussain (ع) einem Feind von Zehntausend gegenüberstehen wird. Das wird der Tag sein, an dem der Islam durch Opfer geschützt werden muss. Du musst mich an diesem Tag vertreten“.
Qasim (ع) rannte mit diesem Brief zu Imam Hussain (ع). Dieser las den Brief und sagte: „Oh meines Bruders Sohn, wie kann ich dich aufhalten etwas zu tun, was dein Vater von dir wollte, dass du es tust. Bismillah, geh. Allah sei mit dir“.
Mit dem Turban seines Vaters auf dem Kopf, ritt Qasim (ع) los. Imam Hussain (ع) sagte: „Inna Lilla-hi wa inna ilai-hi raji’oon“. Qasim (ع) erwiderte: „Oh mein Onkel, sei nicht bestürzt. Ich fürchte den Tod nicht. Der Tod für den Islam wird für mich süßer als Honig sein“.
Auf dem Schlachtfeld stellte er sich laut vor und tötete mehre Soldaten. Er sah Umar Sa’ad, wie er seinen Pferden Wasser zu trinken gab. Er rief ihm zu: „Du sollst dich vor dir selbst schämen; die Kinder Hussains weinen vor Durst“.
Umar Sa’ad fragte, wer das sei und man sagte ihm, dass es der Sohn Hassans (ع) sei. Er befahl Arsak Shaami (einer seiner tapfersten Soldaten) gegen Qasim (ع) zu kämpfen. Dieser jedoch fühlte sich gedemütigt, gegen ein Kind kämpfen zu müssen. Er schickte seine vier Söhne gegen Qasim, welche Qasim doch alle tötete. Arsak wurde sehr wütend und begab sich nun selbst gegen Qasim (ع). Auf Befehl Umars Sa’ads attacktierten seine Soldaten Qasim (ع) und bewarfen ihn mit Steinen, Speeren und Pfeilen.
Mit den Worten: „Oh mein Onkel! Hilf mir!“ fiel Qasim. Noch bevor Imam Hussain (ع) zu ihm gelangen konnte, hatten die Soldaten Qasim mit ihren Pferden überrannt und trampelten auf dem toten Körper rum.
Shimr kam zu Abbas (ع) ins Zeltlager, um ihm einen Befehl für seine Sicherheit zu erteilen. Abbas (ع) wurde wütend und entgegnete: „Du hast mir einen Befehl zu meiner Sicherheit gegeben und nicht meinem Herrn Hussain! Wenn Hussain, mein Herr es mir erlaubte, würde ich Dir deinen Kopf abhauen. Der Fluch von Allah ist auf dir und deinem Befehl zu meiner Sicherheit.. Verlasse diesen Raum!“
Man hörte die Kinder „Al Tash“ (zu deutsch: Durst) schreien und Sukaina bat Abbas (ع) Wasser für sie zu holen. Die Kinder warteten schon, denn sie waren sich gewiss, dass Sukaina ihnen zuerst Wasser geben würde, als selbst zuerst zu trinken.
Abbas (ع) drang mit Mühe kämpfend durch die Soldaten, den Banner in der einen und das Schwert in der anderen Hand und den Wasserbeutel über der Schulter, zum Fluss Furat vor. Er füllte Wasser ein und sprang sofort wieder auf sein Pferd um den Durst der Kinder zu stillen. Die Kinder sahen ihn schon vom weiten auf seinen Pferd zureiten. Doch auch der Feind erblickte ihn mit dem Wasser Richtung Lager reiten. Ein Soldat Yazids schlug ihm von hinten den rechten Arm ab, sodass er den Behälter mit der linken Hand halten musste. Als ihm dann jedoch auch noch der linke Arm mit dem Schwert abgeschlagen wurde, blieb ihm nur noch übrig den Wasserbeutel mit dem Mund zu halten, denn er wollte ja den Kindern das Trinken bringen. Doch dann traf ein Pfeil den Behälter des Wassers, welches sofort auslief. Dann umzingelten ihn seine Feinde und schossen ihm einen Pfeil ins Auge. Sofort fiel Abbas (ع) von seinem Pferd. Er rief aus: „Oh, mein Herr, meine Grüße an dich!“ Imam Hussain (ع) hörte den Ruf und lief sofort in dessen Richtung. Seine Augen waren blind vor Tränen. Er erreichte Abbas (ع), hob seinen Kopf hoch und legte diesen in seinen Schoß. Abbas (ع) entgegnete ihm: „Mein Herr, als ich geboren wurde, warst du die erste Person, die ich sah. Mein letzter Wunsch ist, dass ich dein Gesicht sehe, bevor ich sterbe, doch mein Auge ist mit einem Pfeil durchbohrt. Reinige bitte mein Auge vom Blut, so darf ich dich das letzte Mal sehen. Und bitte, Herr, bring meinen Körper nicht zum Lager, denn ich bin so beschämt, dass ich Sukaina und den anderen Kindern Aug‘ in Aug‘ gegenübertrete, mit leeren Händen, ohne Wasser zu ihnen zurückgekehrt zu sein.“
Imam Hussain (ع) sagte im Weinen: „Abbas! Ich werde deine Wünsche erfüllen, aber ich habe auch einen Wunsch. Seit der Kindheit nanntest du mich immer deinen Herrn. Nenne mich wenigstens einmal Bruder!“
Abbas (ع) schaute ihm in die Augen und sagte: „Mein Bruder, mein Bruder!“
Imam Hussain (ع) kam mit der blutgetränkten Fahne zurück, und so wusste Sukaina, dass ihr Onkel umgebracht wurde.
Abbas (ع) liebte Sukaina mehr als seine eigenen Kinder. Hatte sie einen Wunsch, so war er erst beruhigt, wenn er ihr diesen erfüllt hatte. Ab diesem Tag wollte sie sich nie wieder über Durst beklagen. Sukaina war ein Kind voller Liebe. Auch an dem Tag, als sie Waise wurde, kümmert sie sich erst um die anderen und tröstete sie.
Sukaina (ع) fragte nie wieder nach Wasser. Sayeda Zainab (ع) sprach ihr zu etwas zu trinken, aber Sukaina (ع) fragte nie wieder danach.
Als alle zu den Gefängnissen gebrachten wurden, hatte Ruqaiya (ع) (die jüngere Schwester Sukainas (ع)) einen Traum, in welchem ihr Vater zu ihr kam und ihr versprach, zu kommen und sie mit ihm mitzunehmen, weg von den Folterungen, die sie ertrug. Als sie erwachte und ihren Traum erzählte, erreichte es Yazid. Dieser befahl den Kopf ihres Vaters zu ihr zubringen. Sobald sie den Kopf ihres Vaters sah, legte sie ihre Wange auf die seine und fing an zu weinen, ihn fest umarmend. Plötzlich hörte ihr Weinen auf, und mit dem Weinen stoppte auch ihr Herz, denn ihr Vater hatte sein Versprechen zu ihr erfüllt.
Später in Damaskus, im Gefängnis, wachte Sukaina (ع) eines morgens nicht mehr auf. Sie lag einfach da, auf dem kalten Gefängnisboden, mit weit geöffneten Augen.
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von Um Hussain