Adab as-Suluk – Eine Abhandlung zur spirituellen Reise

– von Sheikh Najm al-Din Kubra

Einführung

O Diener Allahs!

Wisse, dass du ein Reisender (Salik) bist, suchend nach deinem Herrn, und letztendlich eines Tages wirst du Ihn treffen, wie es in einer Überlieferung heißt: „Wer darauf hofft Allah (swt) zu treffen, sollte wissen, dass der Zeitpunkt des Treffens kommen wird.“ Und ihr solltet wissen, dass Gott, der Erhabene, durch Seine Macht und Weisheit zwei Reisen für die Kinder Adams bestimmt hat. Eine von ihnen ist die unfreiwillige (qahri) und die andere ist die freiwillige (ikhtiyari).

Was die unfreiwillige Reise betrifft, so ist der Startpunkt die Lende des Vaters (Sulb), die zweite Stufe (dann) ist der Mutterleib der Mutter; die dritte Stufe ist die physische Welt; und die vierte Stufe ist die des Grabes, welches entweder ein Garten der Gärten des Paradieses ist oder eine Grube der Gruben der Hölle. Die fünfte Stufe ist die des Tages der Auferstehung, welche 50.000 Jahren auf der Welt gleicht.

Nach dieser Stufe wirst du dein ewiges zu Hause und den echten Aufenthalt erreichen – dies ist der Aufenthalt des Friedens (dar al-salam) und das Paradies der Sicherheit und des Friedens, im Falle, dass du unter den Erfolgreichen und den Freunden des Haqq bist; oder dein zu Hause wird ein Aufenthalt des Feuers und der Qual sein, wenn – Gott behüte – du unter den Elenden und den Feinden des Haqq bist, wie Allah (swt) sagt: „Am Tag der Auferstehung wird eine Gruppe im Paradies und eine Gruppe in der Hölle sein.“

Jeder Atemzug, den du nimmst, ist ein Schritt in Richtung der Stufe des Todes. Jeder Tag deines Lebens entspricht einem Kilometer. Jeder Monat entspricht einer Etappe (marhalah) und jedes Jahr ist gleich einer Station (manzil). Deine Reise ist wie die Bewegung der Sonne und des Mondes – noch bist du vergesslich über diese Reise und diese Bewegung – und aus deiner Unwissenheit und Vergesslichkeit heraus ist es dir misslungen dich vorzubereiten und dich richtig auszurüsten für die Station (manzil) des Grabes und der weitergehenden Reise zur Station des Tages der Auferstehung und deinem ewigen und wahren zu Hause.

Jedoch gibt es bei der freiwilligen Reise zwei Arten: Die eine ist die Reise der Seelen und der Herzen in Richtung des Allmächtigen und König der Welten. Und die zweite ist eine physische Reise (safar jismani) auf der Erde Gottes. Wir werden beiden Reisen ein gesondertes Kapitel widmen, so dass man die notwendige Führung erhält, um ihre Ziele zu erreichen und geführt wird durch die Vorbereitung der Wege, durch die Öffnung der Tore, und durch das Lernen derer Disziplinen (adab).

O Herr, öffne die Tore Deiner Gnade und Barmherzigkeit für uns! O Herr, Der großzügig ist!

Über die spirituelle Reise zu Allah und die Wichtigkeit dieser Reise

O Diener Gottes! Wisse, dass Gott, der Erhabene den Menschen nur erschuf, um seinem Herzen oder seinem Geist es zu ermöglichen, sich auf die Reise zu Ihm zu machen und um die Nähe zu Ihm zu erreichen und um Seine Herrlichkeit und Schönheit wahrzunehmen, welche das endgültige Ziel darstellt.

Die Welt und was darin enthalten ist, genauso wie die andere Welt und was darin enthalten ist, wurden aus demselben Zweck erschaffen. Die Propheten und Gesandten, die Offenbarung des Qur’an und der anderen Schriften, wurden alle aus demselben Grund gesandt. Wie Allah (swt) sagt:

[Adh-Dhariyat 51.56] Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen.

Ibn ‚Abbas (Möge Allah mit ihm zufrieden sein) sagte, dass hier „li ya’budun“ (dass sie Mir dienen), „li ya’rifun“ (dass sie Mich erkennen) bedeutet. Das bedeutet, alles wurde (nur) erschaffen, um Ihn (Allah (swt)) zu erkennen. In einer heiligen Überlieferung (Hadith Qudsi), sagt Allah (swt):

„Ich war ein verborgener Schatz; dann wollte Ich erkannt werden. Dann erschuf Ich die Schöpfung, so dass Ich erkannt werden möge.“

Jedoch was diese Reise betrifft, so wisse, dass das Herz eines Menschen mit (vielen) Schleiern bedeckt ist, mit Hindernissen und einer Großen Distanz (zu Allah (swt)). Hier gibt es ebenso bestimmte Stufen, Etappen und Stationen der Nähe zu Allah (swt). Wenn man nicht den Hürdenlauf des Pfades bewältigt, so kann man keine einzige Stufe der Nähe zu Allah (swt) erreichen. Der heilige Herr (Hadrat al-Quds) wird nicht erkannt werden, außer und bis man die Schleier des eigenen Ich’s (Hujubul-Nafs) abreißt.

Die erste Stufe

Das bedeutet, der erste Schleier, welcher der Grund der Trennung zum Allmächtigen Herr (Hadrat al-‚Izzah) ist, ist die Unwissenheit über Ihn, das Beigesellen von Partnern neben Ihm (shirk) und Zweifel in Seine Eigenschaften der Herrlichkeit und Vollkommenheit. All dies zählt zum Unglauben (kufr), welcher zu den größten und dunkelsten aller Schleier gehört, wie Allah (swt) sagt:

[An-Nisa‘ 4.48] Wahrlich, Allah wird es nicht vergeben, dass Ihm Götter zur Seite gestellt werden.

Daher ist es erforderlich für den Suchenden (nach Allah), die Dunkelheit der Unwissenheit in seinem Herzen in (eine) Beleuchtung durch das Licht des Wissens zu ändern; um das Licht der Gewissheit (Yaqin) durch die Entfernung der Dunkelheit des Zweifels zu erreichen, um Tawhid zu erreichen durch das Entfernen der Dunkelheit des Polytheismus, und um das Licht des Glaubens zu erlangen durch die Befreiung von der Verwirrung des Unglaubens. Andernfalls wird sein Körper und seine Seele in einer ewigen Dunkelheit verbleiben und in den niedrigsten Stufen der Hölle verdammt werden, welche Allah (swt) für die Ungläubigen und die Feinde Allahs bestimmt hat.

Die zweite Stufe

Die zweite Stufe auf dem Wege die Nähe Allahs zu erlangen ist die Gehorsam (ta’ah) und Dienerschaft (‚ubudiyyah) Ihm gegenüber, wie Allah (swt) befohlen hat: O Menschheit! Betet euren Gott an! Darüber hinaus hat der Prophet (s) von Allah (swt) überliefert, dass Er sagte:

„Mit nichts hat Mein Diener Meine Nähe gesucht, was mir lieber ist, als das wozu Ich ihn verpflichtet habe, und mein Diener beharrt auf die Verrichtung der erwünschten Zusätze, bis Ich ihn liebe…

Demzufolge muss jener, der wirklich seinen Herrn (Mawla) kennt, Ihm gehorchen, und wer auch immer seinen Herrn erkannt hat, der muss Ihn anbeten; andernfalls wird er in der Dunkelheit der Sünden auf dem Level der Gotteslästerung verbleiben, da Sünden eine Stufe der Entfernung (Bu’d) von Allah (swt) sind und Gehorsamkeit ist ein Mittel, (dass) in Seine Nähe (führt).

Die dritte Stufe

Die dritte Stufe der Nähe ist gutes Verhalten. Daher ist es für den Suchenden nach dem Haqq wichtig, sein unwürdiges Verhalten in ein lobenswertes umzuwandeln, denn jedes lobenswertes Verhalten wird als ein Mittel aufgefasst, dass in die Nähe des Herrn führt.

Da jede moralische Untugend ein Schritt weg von Ihm ist und etwas ist, dass Sein Missfallen erregt, ist der wahre Suchende verpflichtet sich selbst von der Dunkelheit des Stolzes abzuwenden, zum Lichte der Bescheidenheit. Von der Niedrigkeit der Eifersucht, zur Tugend der Zuneigung und des Mitgefühls. Von der Falschheit des Geizes, zur Erhabenheit der Großherzigkeit. Vom dunklen Abgrund der Undankbarkeit, zum leuchtenden Gipfel der Dankbarkeit. Von der Dunkelheit der Heuchelei, zum Lichte der Aufrichtigkeit. Von der Wüste der oberflächlichen Schönheit und des Reichtums der physischen Welt, zum Garten der Liebe und des Vertrauens auf den Herrn der Himmel und der Erde.

Von der Dunkelheit (der falschen Bedeutung) der Sicherheit, zum Lichte der Furcht vor Gott. Von der Dunkelheit der Hoffnungslosigkeit und des Misstrauens, zum Lichte der Hoffnung und des Vertrauens. Vom Schatten des Zorns und der Wut, zum Lichte der Geduld und der Toleranz. Von der Dunkelheit der Ungeduld und der Ängstlichkeit bei der Begegnung von Elend und Unglück, zum Lichte der Geduld und der bedingungslosen Hingabe an die Bitterkeit des Schicksals. Von der Dunkelheit der Nachlässigkeit, zum Lichte des Bewusstseins und Erinnerung.

Von der Dunkelheit der Ratlosigkeit und des Eigensinns, zum Lichte der Ergebenheit und der Demut. Von der Dunkelheit der Abhängigkeit von weltlichen Mitteln, zum Lichte der Unterwerfung des Willen des Herrn aller Herrn, und von der Dunkelheit der Sklaverei der Gier und der Sinnenlust, zum Lichte der Gehorsamkeit des erhabenen Schöpfers.

Demnach ist diese Reise eine der wichtigsten Reisen, und es ist verpflichtend für alle Suchenden nach der göttlichen Nähe, nach der höchsten Glückseligkeit und dem ewigen Aufenthalt im Jenseits, diese Reise zu vollziehen.

Die vierte Stufe

Die vierte Stufe der spirituellen Reise, ist die Reise durch die wunderschönen Namen (al-‚Asma‘-ul Husna) und den Erhabenen Eigenschaften (Sifat) Allahs. Denn wenn ein Suchender sein inneres Dasein (batin) reinigt, aufgrund der Distanz (zu Gott) und sein Herz läutert und mit der Etikette der Nähe schmückt, so wird er würdig dafür sein in Richtung des Herrn des Königreichs fortzuschreiten und die Wirkung der Liebe Gottes und Seiner Gnade werden sich in ihm manifestieren.

Bei dieser Stufe gibt es einen Unterschied in den Rängen der ‚Awliya‘ und ‚Asfiya‘ (den Auserwählten). Abu ‚Abdallah Muhammad ibn ‚Ali al-Tirmidhi sagte: „Gott, der Erhabene und Glorreiche, lehrte Seinen Dienern Seine Namen und jeder Name gehört zu einem besonderen (spirituellen) Bereich (‚iqlim) und für jeden Bereich gibt es eine Autorität (Sultan). Und jeder Bereich hat seine Anordnungen, Geschenke und Belohnungen, welche den Leuten dieses Bereichs verliehen werden. Und Er hat spezielle Stufen für die Herzen dieser Auserwählten bestimmt. Es kann sein, dass ein Wali in der ersten Ebene verbleibt, da er unter den Namen Gottes, nur den Namen, der diesen Bereich betrifft, kennt.

Es passiert oft, dass einer der ‚Awliya‘ eine Stufe in der zweiten, dritten oder vierten Ebene zur gleichen Zeit hat. Daher, wenn er sich einer speziellen Ebene widmet, wird der Name dieser Ebene ihm verliehen, so dass er die Stufe des Wali erreicht, der alle Namen partizipiert. Er ist einer der von allen Namen Nutzen zieht und er ist der Führer der ‚Awliya‘.“

Al‑Tirmidhi sagte weiter: „Den Nutzen, den die normalen Menschen von diesen göttlichen Namen ziehen, ist gleich ihrem Glauben in diese Namen.“

Was die betrifft, welche in der mittleren Position (ashab al-yamin) sind, genauso wie die normalen ‚Awliya‘, so hängt ihr Anteil an den göttlichen Namen von der Öffnung ihrer Herzen (sharh-ul-sadr) gegenüber dieser Namen und das Licht ab, welches in ihnen durch die Mittel der Erkenntnis (ma’rifah) über die göttlichen Eigenschaften scheint. Jeder genießt das, was gemäß seiner Aufnahmefähigkeit und dem Maß des spirituellen Lichtes, welches sein Herz aufweist, entspricht. Jedoch der Nutzen, welcher die Auserwählten unter den ‚Awliya“ ziehen – welche vollkommen befreit sind von den Trachten der weltlichen Bindung und in einer neuen spirituellen Kleidung gekleidet sind – beinhaltet die direkte Beachtung der göttlichen Eigenschaften und die Aufnahme von deren Licht in deren Herzen.

Von dem was unser Sheikh erwähnt hat, tritt es auf, dass jeder Wali eine Stufe genießt die speziell für ihn bestimmt ist, welche er nicht übertreffen kann, und diese Stufe ist ihm durch Allah (swt) erteilt in Übereinstimmung mit seiner Fähigkeit und Aufnahmefähigkeit und dem Grad, der für ihn von Allah (swt) verfügt wurde. Daher, wenn sein Herz diese bekannte Stufe erreicht, erreicht seine geheimnisvolle Reise sein Ziel und seine Reise kulminiert.

Bei dieser Reise geht es weder darum von einem Ort zum anderen zu wandern, noch gehört es zur Bewegung eines Wanderers, noch zum gefragten Ziel, denn Gott der Erhabene steht näher zu einer Person, als dessen Halsschlagader. Hier ist mit der „Reise“ die Entfernung der Schleier gemeint, welche den Blick des Herzens und das Licht der göttlichen Eigenschaften daran hindern im Herzen des Reisenden zu scheinen. Das ist die Reise, für die der Mensch erschaffen wurde.

Über die äußerlichen Disziplinen dieser Reise

Du solltest wissen, dass diese Reise des Herzens in Richtung Gott, die Berücksichtigung bestimmter Disziplinen (Adab) erfordert. Einige von ihnen sind äußerlich (zahir) und gewisse andere innerlich (batin).

Der erste Grundsatz

Der erste äußerliche Grundsatz ist, dass der Reisende materielle Besessenheit und Mittel aufgeben und sich selbst von weltlichen Beschäftigungen loslösen sollte. Er sollte keine andere Beschäftigung haben, außer der Dienerschaft seinem Meister gegenüber und der Gehorsamkeit Ihm gegenüber und Ihm zu gedenken. [1] Allah (swt) sagt:

[Al-Muzzammil 73.8] So gedenke des Namens deines Herrn und weihe dich Ihm ausschließlich.

Der zweite Grundsatz

Der zweite Grundsatz besteht aus der Abgeschiedenheit und Distanz zu den Menschen, speziell zu jedem, der einen daran hindert sich Allah zu nähern. Und Allah (swt) sagte zum Propheten (s): „Halte dich fern von ihnen und vermeide jene die alles anrufen außer Gott.“

Der dritte Grundsatz

Der dritte Grundsatz ist, dass der Reisende (Salik) die sieben Organe seines Körpers vor dem schützen sollte, was seinen Herrn verärgert. Diese sind folgende Dinge:

Die Augen sollten vor dem geschlossen werden, was verboten und nicht nutzenbringend für einen ist. Die Ohren sollten keine Verleumdungen, Schmähungen und unanständige Wörter und ähnliches hören. Die Zunge muss vor den gleichen Dingen geschützt werden und die Lippen sollten verschlossen werden bei Gesprächen ohne Nutzen. Und einige ‚Urafa‘ haben gesagt, dass das was man sagt Gedenken Gottes sein sollte und die Schweigsamkeit eine Anstrengung zum Nachdenken, und die Blicke sollten dazu dienen eine Lehre zu ziehen. Der Reisende sollte ebenso seinen Bauch vor unrechtmäßigen und verdächtigen Dingen schützen, und im Falle der rechtmäßigen Dinge, sollte er nicht gierig, lüstern und in einem Zustand der Vergesslichkeit über Gott sein; man sollte eher während dem Essen wach und bewusst über Gottes Präsens sein. Auf demselben Weg sollte er seine Füße und Hände, genauso wie seine Geschlechtsorgane vor dem was verboten und abscheulich ist schützen.

Der vierte Grundsatz

Der vierte Grundsatz ist, dass sich der Salik seinem weltlichen Ich (Nafs) widersetzt, dass bedeutet der Kampf gegen den Drang anzukämpfen, leckeres Essen, leckeres Trinken, schöne Kleidung, sinnliche Handlungen usw. zu begehren. Das ist die größere Anstrengung (Jihad ul-Akbar), über die der Prophet (s), der Führer der Menschheit (sinngemäß) sagte: „Ihr seid von dem kleineren (asghar) Jihad zurückgekehrt um nun den größeren (akbar) Jihad zu bewältigen.“

Und dieser Jihad ist wichtiger und seine Früchte umfassender, als das Kämpfen gegen Ungläubige (Kuffar) im Krieg, um Reichtümer zu erlangen, denn diese unterliegen dem Drang des diesseitigen Ichs (Nafs), welcher zu dauerhaftem Verderben und ewiger Not führt. Gemäß den Gnostikern (‚Urafa‘) ist Untergegebenheit gegenüber dem Nafs, gleich dem in Flammen legen von Brennholz und der Talib und der Salik sollten, um sich von ihrem Nafs zu befreien, dieses Feuer in sich löschen.

Der fünfte Grundsatz

Der fünfte Grundsatz ist, dass der Salik einen wissenden, makellosen und weisen Sheikh aufsuchen sollte, der ihn auf dem Wege führt um Perfektion zu erlangen, so dass er Allah (swt) erreichen kann; für den Suchenden ist das wie ein Patient, der umgeben ist von verschiedenen Krankheiten und Übeln, der von einer Anzahl von Leiden und Beschwerden heimgesucht wird. Der Salik ist unwissend über sie und selbst wenn er wissend darüber wäre, so wüsste er nicht wie er sein Nafs heilen kann. So hat er keine Wahl, als einen mitfühlenden und freundlichen Mediziner aufzusuchen, der seine Krankheit diagnostizieren und ihm helfen kann, seine Krankheit zu überstehen, um wieder auf beiden Beinen stehen zu können. In anderen Worten: Der Salik ist wie ein Reisender in einer gefährlichen und schrecklichen Wüste, welcher keine andere Wahl hat, als einen Führer zu finden, um sein Ziel zu erreichen.

Der sechste Grundsatz

Der sechste Grundsatz ist, dass der Salik sich nicht selbst mit unzähligen Bittgebeten, Dhikr, empfohlenen Gebeten und verschiedener Arten von Handlungen beschäftigt, sondern sich einer einzigen Form des Dhikr widmet und all die verpflichtenden Gebete und bestimmten Formen des Gottesdienstes verrichtet. Erst dann sollte er sich immer mehr in das Gedenken Gottes vertiefen. Es wird gesagt, dass Dhikr der Schlüssel zur Unsichtbaren Welt (‚Alam-ul-Ghayb) und die Lampe der innerlichen Welt ist. Ohne einen Schlüssel kann man das Haus nicht betreten und ohne eine Lampe kann man ein Haus nicht beleuchten. Daher sollte der Salik Gott auf eine Weise Gedenken, in der er seinen Geliebten gedenkt, und das Gedenken sollte ihn nie verlassen. Dann muss er sich so sehr in das Dhikr vertiefen, dass das Dhikr sich an ihn festhängt und sein Herz nicht leer lässt, nicht mal für einen Moment. Wenn er mit seinem Dhikr fortfährt, dann wandelt es sich vom menschlichen in himmlischen und heiligen Dhikr. Das „menschliche Dhikr“ ist das, was mit Hilfe von Stimmen, Buchstaben und Zahlen geschieht, wohingegen „himmlischer Dhikr“ das ist, was frei von Nummern, Buchstaben und Stimmen ist. Nach dieser Stufe verliert der Dhakir (derjenige der Dhikr vollzieht) seine Identität und verschmilzt mit dem Dhikr. Er wird unwissend über sein Dhikr, genauso wie über sein eigenes Ich. Es gibt viele Stufen des Dhikr, höhere sind schwerer zu erreichen; aber allmähliche Bedrängnis und Anstrengung verschwinden und Dhikr wird die Natur und Gewohnheit des Salik.

Der siebte Grundsatz

Der siebte Grundsatz ist, durchgehend tüchtig zu bleiben, denn diese Handlung zeigt einen Widerspruch und Unterdrückung des diesseitigen Ichs, welches der Grund aller Schleier und der Entfernung von Allah (swt) ist. Wenn ein Salik sein Essen schrittweise reduziert, ist es möglich. Das ist der Weg der von manchen Suffi Sheikhs beschritten wurde. Es gehört ebenfalls dazu, das man einen Mittelweg beschreitet, das heißt Maß hält.

Der Prophet Muhammad (s) sagte: „Haltet eure Seele in einem gesunden Zustand, denn es ist das, was ihr herumtragt; ihr solltet gütig zu ihr sein und auf sie achten.“

Der Prophet (s) sagte auch: „Wer auch immer seinen Glauben extrem schwer für sich macht, dessen Nafs überwältigt ihn und lässt sich ihm unterwerfen.“

Wenn es passiert, dass der Salik sein empfohlenes Fasten brechen muss, um seine Gäste zu erfreuen oder als Zeichen seiner spirituellen Führung, so sollte er seiner Seele das nicht bis zum Ende genießen lassen, sondern so wenig wie möglich essen und weniger essen, als er normalerweise essen würde. Wenn er am Tag gefastet hat, so dass er seinem Nafs zwei Genüsse enthält: Das eine ist das Brechen des Fastens und das andere ist die Freude des Essens zur Befriedigung des Herzens. Desweiteren sollte man nicht immer Brot mit Eintopf zu sich nehmen, sondern auch nur mit Brot zufrieden sein.

Der achte Grundsatz

Der achte Grundsatz ist das Acht geben auf körperliche Reinheit, denn die Reinheit ist die Waffe eines Gläubigen und es ruft innere Erleuchtung hervor. Der Prophet (s) sagte: „Wudhu verrichtet über Wudhu ist gleich Licht über Licht am Tag des Jüngsten Gerichts .“

Der neunte Grundsatz

Der neunte Grundsatz ist, in der Nacht wach zu bleiben. Diese Handlung wird als eine der wichtigsten Handlungen des Saliks betrachtet. Beim Preisen der Rechtschaffenen sagt Allah (swt):

[51.17] Sie schliefen nur einen kleinen Teil der Nacht;

Das bedeutet, dass sie nur einen kleinen Teil der Nacht schliefen, denn die Nacht ist die Zeit des Dua für die ‚Awliya und die Reinen.

Der zehnte Grundsatz

Der zehnte Grundsatz für den Salik ist, dass er sich so gut wie möglich anstrengen sollte, um den Unterhalt mit halal Mittel finanzieren zu können. Allah (swt) sagt:

[2.172] O die ihr glaubt, esset von den guten Dingen, die Wir euch gegeben haben,

Und der Prophet (s) sagte: „Nach den verpflichtenden Aufgaben, ist es verpflichtend gesetzmäßigen Unterhalt zu verdienen.“

Nach der Pflicht des Glaubens ist das die größte Pflicht aller Pflichten. Das rechtmäßige Verdienen lässt das innerliche Sein aufleuchten und unrechtmäßiges Verdienen erzeugt Dunkelheit im Herzen. Die Gnostiker sagen: Wer auch immer sich für 40 Tage mit rechtmäßig verdienten Dingen ernährt, dem wird Gott sein Herz erleuchten.

Der Grund des Weges der Verdorbenheit der Menschen dieser Welt, ist ihre Achtlosigkeit in dieser Angelegenheit, sowie der Mangel an Enthaltsamkeit von unrechtmäßigem und zweifelhaftem Essen. Der Gesandte Allahs (s) sagte: „Das Kriterium der Religion sind Frömmigkeit und Gottesfurcht, und der Glaube wird aufgrund von Gier verdorben.“

Hier enden die äußerlichen Disziplinen für den Salik. Es gibt jedoch ebenfalls viele innerliche Disziplinen, welche durch Menschen des spirituellen Weges befolgt werden.

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[1] Was nicht bedeutet, man solle den ganzen Tag nichts tun außer beten, sondern man muss sich auch um seinen Unterhalt kümmern und Zeit mit der Gemeinschaft verbringen.

Über die innerlichen Disziplinen dieser Reise

Die erste Disziplin

Zuerst muss man seine Seele überwachen. Das bedeutet, der Salik sollte immer über sein Herz wachsam sein. Er sollte es nicht mal für einen kleinen Moment vernachlässigen, denn sonst unterliegt er seinen diesseitigen Begierden und satanischen Verlockungen. Er sollte sich selbst als von Allah beobachtet betrachten, wie es im Quran heißt:

[4.1] Wahrlich, Allah wacht über euch.

Der Prophet (s) sagte: „Gott betrachtet eure Herzen und eure Handlungen, nicht euer offenkundiges Verhalten und eure weltlichen Zugehörigkeiten.“

Die zweite Disziplin

Die zweite Disziplin ist der Ausdruck von Bescheidenheit, Armut und Selbsterniedrigung vor dem Herrn der Welten. Dass man weiß, dass man bedürftig und abhängig ist von seinem Herrn. Dass man abhängig ist von Seinem rechtleitenden Licht, Seiner allumfassenden Gnade und dem Gewähren des Unterhalts durch Ihn, sowie abhängig zum Zeitpunkt des Todes, so dass das Licht des Islams und dessen Weisheit in unseren Herzen verbleiben. Selbst im Grab benötigen wir Ihn, so dass wir fähig sind auf die Fragen durch Munkar und Nakir zu antworten. Wir sind von Allah abhängig und zwar jede Sekunde und daran müssen wir denken, wir müssen uns unserem Herrn ergeben und hingeben und Ihm dienen.

Die dritte Disziplin

Die dritte Disziplin ist die Tawbah (Reue) und Buße, aufgrund jeglicher Sünden und Fehler die wir begangen haben. Bzgl. Prophet Sulayman (a), sagte Allah (swt): „Er war ein guter Diener, da er reumütig war.“ Allah (swt) sagte das gleiche auch über den Propheten Ayyub (a). Daher ist es wichtig, dass wir unsere Seele durch die Reue reinigen. Erst wenn unsere Seelen gereinigt sind, werden wir uns in Richtung Zufriedenheit und Liebe Allahs bewegen können.

Die vierte Disziplin

Die vierte Disziplin ist die Hingabe (taslim) zur Anweisung Gottes, dem Erhabenen. Taslim bedeutet sich Allah hingeben und zwar mit beiden, mit dem Herzen und dem Körper, welche unter Seiner Führerschaft sind. Ein Besitz seinem Besitzer hingeben ist eine der Grundbedingungen der Unterwerfung. Der Besitzer hat das Recht sein Besitz zu kontrollieren und es ist Ihm überlassen, ob Er seinen Diener am Leben lässt oder ihn tötet, ob Er ihn krank macht oder seine Gesundheit wahrt, ob Er ihn reich macht oder arm. Außerdem sollte sich der Salik nie gegen den Willen Allahs erheben.

Die fünfte Disziplin

Die fünfte Disziplin ist Rida (Zufriedenheit), d.h. die Akzeptanz des göttlichen Willen ohne Zweifel zu bekommen. Der Gläubige verbleibt geduldig wenn ihn ein Unglück befällt. Der Unterschied zwischen Sabr (Geduld) und Rida (Zufriedenheit) ist, dass der geduldige Mensch (sabir) durch seinen Glauben, den Umständen und Schwierigkeiten mit Geduld begegnet; sein Glaube verbleibt unerschüttert und er beginnt nicht an Gott oder seiner Gnade zu zweifeln. Er wird nicht von dem Wege Seiner Dienerschaft abkommen, egal wie groß dieses Unglück ist, sein Herz verbleibt standhaft. Jedoch der zufriedene Mensch (radi) ist jener, dessen Herz ständig in einem Zustand der Zufriedenheit und Glückseligkeit ist. Elend und Reichtum haben keinen Einfluss auf ihn, was auch immer er von Gott erhält, er sieht es als ein Geschenk und eine Gnade an. Er genießt das Unheil das ihm auferlegt wurde auf dieselbe Weise, wie andere Gefälligkeiten genießen würden.

Die sechste Disziplin

Die sechste Disziplin ist ständige Bekümmertheit (Huzn). Der Prophet (s.9 sagte: „Gott liebt jedes bekümmerte Herz.“ Gemäß den Überlieferungen heißt es, dass der Prophet (s) ständig in einem Zustand der Einkehr und Bekümmertheit war. Gemäß den ‚Urafa‘ ist jedes Herz, das frei ist von Bekümmertheit, nichts als Lehm. Wie kann ein Gläubiger fröhlich sein, während er nicht weiß was in seinem Buch der Taten steht? Während er nicht weiß ob ihn Glückseligkeit oder Elend nach seinem Tod erwartet? Er weiß nicht ob sein Gottesdienst und seine Taten angenommen wurden oder nicht. Er weiß nicht ob seine Sünden vergeben wurden oder nicht.

Die siebte Disziplin

Die siebte Disziplin lautet gut über Allah (swt) zu denken (Husn al-Zann). Und Er sagt in einem Hadith Qudsi:

„Ich behandle Meinen Diener gemäß seiner Meinung über Mich, so lasse ihn welche Meinung auch immer haben.“

Daher ist es notwendig für einen Diener Gottes, eine gute Meinung über Allah (swt) zu haben. Dieser Zustand wird dadurch erreicht, dass man sich Gedanken über die Eigenschaften und Namen Allahs macht, wie der Barmherzigkeit und dem Edelmut usw. Wer auch immer die Hoffnung aufgibt und eine schlechte Meinung über seinen Herrn hat und die Hoffnung in seine Barmherzigkeit aufgibt, der begeht eine sehr große Sünde.

Die achte Disziplin

Die achte Disziplin lautet, dass man sich nicht vor dem Plan Allahs sicher fühlen sollte. Allah (swt) sagt.

[7.99] Sind sie denn sicher vor dem Plan Allahs? Aber niemand kann sich vor dem Plan Allahs sicher fühlen, außer dem Volk der Verlierenden.

Weiter sagt er:

[35.28] Nur die Wissenden unter Seinen Dienern fürchten Allah.

Diese Angst und Ehrfurcht entsteht bei dem, der Allahs Eigenschaften der Herrlichkeit und des Zorns betrachtet. Genau so, wie Allah (swt) Eigenschaften der Herrlichkeit und Barmherzigkeit aufweist, werden Ihm auch Eigenschaften des Zorns und der Macht zugeschrieben. Allah (swt) sagt im Quran:

[11:119] Wahrlich, Ich will die Hölle füllen mit Dschinn und Menschen insgesamt

Es heißt in einer Überlieferung, dass Allah der Erhabene zu Adam sagen wird: „Steh auf und wirf jene in das Höllenfeuer!“ Adam wird fragen: „Wie viele?“ Die Antwort wird sein: „999 von jeden Tausend.“

Die neunte Disziplin

Die neunte Disziplin ist Liebe (mahabbah). Dies bzgl. sagt Allah (swt):

[5.54] …das Er liebt und das Ihn liebt…

Liebe ist die Basis aller Stufen und Tugenden, die der Diener Gottes zwischen sich und dem Herrn der Himmel und der Erde schafft, um höhere Stufen bei der Reise (suluk) zu erlangen. Liebe ist die Frucht des Wissens über die schönen Namen Allahs. Niemand besitzt in der Welt Schönheit außer Gott. Was auch immer an Schönheit und Perfektion in den Geschöpfen zu sehen ist, ist in Wirklichkeit ein Teil der Sonne Seiner Schönheit, ein Tropfen von den Ozeanen Seiner Perfektion. Wenn man die Schönheit und Perfektion begrenzt, auf die materiellen Formen und weltlichen Dingen sieht, so muss man wissen, dass man eingesperrt ist in der diesseitigen Welt und einem die Wirklichkeit vorenthalten ist. So verdient niemand außer Gott geliebt zu werden, denn jede Art der Schönheit ist von Ihm abhängig.

Zusammenfassung

Die oben genannten Disziplin sind einige der wichtigsten um die innere Perfektion zu erreichen, mit denen der Salik seine eigene Seele unter Kontrolle bekommen kann und somit die Nähe Allahs erreicht.
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übersetzt von Maher el Ali

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