Erfahrungsbericht meiner ersten Pilgerfahrt
Ein Tag vor meiner Abreise war ich so aufgeregt, dass ich nicht mehr richtig sitzen, gehen oder denken konnte. Es gab nur einen Gedanken: Hajj. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie es werden würde. Als ich ein Tag zuvor bei einem Bekannten war, der schon zweimal im Hajj war, sagte er mir, dass er sehr traurig sei, dass er dieses Jahr nicht zur Pilgerfahrt mitkommen könne, aber ich verstand (noch) nicht so recht wieso er so sehr traurig war. Nun ich kam dann nach Hause und versuchte zu schlafen, aber ich konnte nicht schlafen. Ich wollte früh schlafen gehen damit ich für den nächsten Tag fit bin. Irgendwann bin ich dann nach längerem Überlegen eingeschlafen. Als ich den Flughafen betrat konnte ich immer noch nicht so richtig glauben was geschehen würde. Wir saßen im Flugzeug und verrichteten dort auch unsere Gebete. Als wir in Damaskus ankamen mussten wir umsteigen und flogen dann nach Jidda (eine westliche Hafenstadt in Saudi Arabien). Von dort aus fuhren wir mit dem Bus nach Medina. Zwischendurch mussten wir anhalten, um das Pflichtgebet zu beten. Wir beteten im Freien, in der Sonne, ich erwähne das hier, denn es war einer meiner schönsten Momente auf dieser Reise. Man fühlte sich dabei wie zu Zeiten des Propheten (ص) (so stellte ich es mir zumindest vor), weil wir nicht alles dabei hatten (wie z.B. Gebetsteppich oder Gebetsstein, etc.) sondern wir mussten uns mit dem zufrieden geben was dort gegeben war.
Ankunft in Medina
Als wir dann am Abend nach langer Busfahrt in Medina ankamen und die Prophetenmoschee und den Janna-tul-Baqi-Friedhof (dort sind unter anderem Imam Hassan ibn Ali (ع), Imam Zain-ul-Abideen (ع), Imam Mohammad al-Baqir (ع) und Imam Ja’afar as-Sadiq (ع) begraben) sahen, sagten wir alle laut „salawat“ (allahumma salli ‚ala mohammadin wa ali mohammad). Nachdem wir unsere Unterkunft gefunden hatten und uns unsere „Pakistanis“, bzw. „Abayas“ (arabisches Gewand) anzogen hatten, gingen wir zur Prophetenmoschee und beteten dort und rezitierten „Ziyarat“. Wir blieben dort die ganze Nacht über bis zum Frühgebet. Nach dem Frühgebet gingen wir zum Friedhof „al-Baqi'“ und besuchten einen Teil der Ahl-ul-Bayt (ع). Man kann es sich schlecht vorstellen wie es sein wird dort zu stehen und „Ziyarat“ zu verlesen. Ich kann von mir selbst nur sagen, es war einer meiner schönsten Erlebnisse in meinem bisherigen Leben. Dort zu stehen und „Ziyarat“ verlesen zwischen den ganzen anderen Gläubigen, mit tränengefüllten Augen, der aufgehenden Sonne und zu wissen so nah an den Reinen (ع) zu sein. Allein beim Gedanken daran kommen mir schon die Tränen.
Abfahrt nach Mekka
Nachdem wir uns vom Propheten Mohammad (ص) und von den dort begrabenen Imamen der Ahl-ul-Bayt (ع) verabschiedeten, fuhren wir los in Richtung Mekka. Da die Bestrebungs-Pilgerfahrt (hajj-ut-tamattu‘) aus zwei Handlungen besteht, nämlich die die Wallfahrt (‚umrah) und die Pilgerfahrt (hajj), mussten wir zuerst in den Weihezustand (Ihram) eintreten, was wir dann auch in der Moschee von As-Schadjara (in der Nähe von Medina) taten. Ab diesem Moment fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, denn ich war zum ersten Mal in meinem Leben im Weihezustand und das mit der Absicht, Allah, dem Erhabenen und Allerhöchsten, aufrichtig gegenüberzustehen. Wir verrichteten ein Gebet nach dem Duschen und dem Anziehen der vorgeschriebenen Bekleidung (zwei Gewänder, ein Untergewand und ein Obergewand) und sprachen die Bereitschaftsbekundung (talbiyyah) aus: „Hier bin ich, oh unser Allah, hier bin ich, hier bin ich, wahrlich es gibt keinen Teilhaber gleichwertig zu Dir, hier bin ich.“ Dazu ist es empfohlen noch folgendes zu sagen: „Hier bin ich, oh unser Allah, hier bin ich, wahrlich aller Dank gebührt Dir, und die Gaben kommen nur von Dir und Dein ist die Herrschaft und keiner ist gleichwertig zu Dir, hier bin ich.“ (wir sprachen dies natürlich in Arabisch aus). Als wir in Mekka ankamen und unsere Koffer in unserer Unterkunft ablegten, konnten wir es kaum abwarten zum Gotteshaus zu kommen. Nun ging der Jihad al-Nafs (der Kampf mit seinem Ego) los, denn im Weihezustand (Ihram) sind sehr viele Sachen verboten, wie zum Beispiel in den Spiegel zu sehen, sich zu parfümieren, das Anziehen von dem, was den ganzen Fußrücken bedeckt (nur für die Männer), die Fingernägel zu schneiden oder Körperhaare zu entfernen. Dies sind natürlich nicht alle verbotenen Handlungen im Weihezustand, sondern nur ein kleiner Teil. Aber warum Jihad al-Nafs: Erstens wegen den vielen verbotenen Handlungen, worunter einige tagtägliche Handlungen sind, wie das Duschen mit parfümiertem Shampoo, was im Weihezustand ebenfalls verboten ist, auf die man aufpassen muss, dass man solches nicht tut und zweitens ist es eine Reise die ausschließlich dem Gedenken an Allah dem Erhabenen und Allerhöchsten gilt, auf der man sich natürlich auch anstrengen und durchhalten muss. Zum Beispiel spielt die Hitze eine große Rolle, dass man sich unwohl fühlt, jedoch muss man sich immer vor Augen halten wie es am Jüngsten Tag sein wird. Als ich das erste Mal das „Haus Gottes“ betrat und die Ka’aba (der Schwarze Stein) sah, fühlte ich mich wie im Traum. Man sah so etwas immer nur im Fernsehen oder auf Bildern und dann auf einmal steht man direkt davor. Ich kann diesen Moment nur ganz schwer erklären. Nun machten wir das erste Mal Tawaf (siebenmaliges Umkreisen der Ka’aba). Es war sehr voll und eng beim Tawaf. Wir wurden regelrecht aneinander gedrückt und dabei wurde es natürlich sehr heiß. Aber Allah (swt) ist gütig, an immer der gleichen Stelle, nämlich genau auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs der Ka’aba, kam ein frischer und kühler Windzug, der uns jedes Mal neue Kraft gegeben hat. Sehr schön waren auch die Bittgebete (Dua’a), die wir beim Umkreisen verlesen haben. Bewundernswert zu sehen war auch, dass es viele ältere Menschen so geschafft haben als wären es kräftige junge Menschen, mashallah. Nach dem Umkreisen verrichteten wir das rituelle Gebet des Umkreisens, wobei man sicher sein muss, dass man das Gebet richtig verliest. Wir hatten manchmal nur die Chance das Gebet nach dem Umkreisen zu verrichten, indem wir auf einen warteten bis er das Gebet zu Ende betete bis wir rankamen. Danach ging es weiter zum „Eilen“ (sa’i) zwischen Safa und Marwa (das sind zwei Hügel in unmittelbarer Nähe zum Hause Gottes). Es war ebenfalls sehr voll. Sehr schön waren die Bittgebete darin zu verlesen und Menschen auf dem Hügel Quran rezitieren zu sehen. Danach war das Kürzen (taqsir) dran, wobei man nur ein kleinen Teil der Haare abschneidet oder etwas der Fuß-/Fingernägel. Damit waren wir mit der Bestrebungs-Wallfahrt (‚umrat-ut-tamattu‘) fertig.
Die Bestrebungs-Pilgerfahrt (hajj-ut-tamattu‘) fängt mit dem Weihezustand ab Mekka an. Wir verweilten dann in Arafat (Berg in der Nähe von Mekka). Wir sind am Abend angekommen und übernachteten in einer Art Zelt. Es war sehr schön, denn diese Nacht verbrachten einige von uns im Gebet und Bittgebet. Wir standen früh zum Gebet auf. Man hörte den Gebetsruf (adhan) in den Zelten. Wir verrichteten das Frühgebet in Gemeinschaft. Im Anschluss daran verlas der Sheikh noch das „Dua’a Sabah“ (Bittgebet am Morgen). Es war wirklich ein schöner Moment, denn wir beteten in freier Natur mit unseren Gewändern (gemäß der Vorschrift im Weihezustand) und suchten Steine um darauf die Niederwerfung zu machen. Am Tage folgten sehr viele Bittgebete, bis zum Abend. Dann fuhren wir weiter bis Al-Mash’ar-ul-Haram (bekannt unter dem Namen Muzdalifah) und verweilten die Nacht dort. Wir verrichteten dann das Frühgebet und liefen dann (ca. 8 km) bis Mina um den Felsen von Aqaba (es gibt drei Felsen, die beworfen werden müssen, dies ist der größte Felsen) zu bewerfen. Es war so voll, dass man auf dem Weg dahin nur kleine Schritte machen konnte. Als wir am Felsen angekommen waren, spielte der Teufel mit einem, denn die drei Felsen symbolisieren den Teufel (Allah bewahre uns vor ihm). Man muss mit sieben Steinen (die bestimmte Voraussetzungen haben müssen) die Felsen bewerfen, jedoch an diesem Tag mussten wir nur den Größten bewerfen. Es war wirklich sehr schwer auf drei Arten: 1. der Teufel redet einem Angst ein, die jedoch mit Aussprüchen (audhu billah min al-shaitan = Gott bewahre uns vor dem Teufel) verschwinden; 2. an diesem Tag trugen wir die Ihram-Gewänder, und durften keine Schuhe tragen (dort liegen sehr viele Steine auf dem Boden, die spitz sind); 3. muss man auf die umher fliegenden Steine achten. Ich möchte hier niemanden Angst davor machen, das muss wirklich keiner haben. Ich rate nur jedem, der die Felsen bewerfen muss, sollte sich die bestimmte Anzahl der Steine, z.B. acht oder neun, denn es kann sein, dass man nicht trifft, in die Hand zu nehmen und nicht in Form einer großen Tüte oder in seiner Tasche zu haben. Dort sind so viele Steine die umherfliegen, dabei denkt man, dass man nicht sieht welcher seiner ist, aber nichts dergleichen, Allah (swt) macht es uns möglich, dass wir jeden unserer geworfenen Steine, unter den hunderten die dort umherfliegen, sehen. Nachdem wir fertig waren, wurde ein Tier geopfert (in Mina) (z.B. ein Kamel oder ein Schaf). Und das vollständige Abschneiden oder Kürzen der Haare war ebenfalls Pflicht. Die Nacht zum 11. des Pilgermonats (Dhul Hijja) mussten wir in Mina verbleiben. Dort steht eine Moschee in der wir beteten und später verlasen wir noch Bittgebete und Ziyarat. Am 11. Tag mussten wir die drei Felsen (in Mina) bewerfen und die Nacht zum 12. mussten wir wieder in Mina verweilen und am 12. Tag war es wieder Pflicht die drei Felsen zu bewerfen. Danach gibt es noch fünf Pflichten im heiligen Mekka, nämlich erstens das Umkreisen für die Pilgerfahrt (tawaf-ul-hajj), zweitens das rituelle Gebet des Umkreisens, drittens das Eilen zwischen Safa und Marwa, viertens das Umkreisen wegen Frauen (tawwaf-un-nissa‘) und fünftens das rituelle Gebet des Umkreisens (wegen Frauen). Somit waren wir mit den Pflichten für die Pilgerfahrt (hajj) fertig. Später bestiegen wir den Berg des Lichts (jabbal al-nur, der Berg auf dem der Prophet Mohammad, die Offenbarung bekam).
Abschluss
Ich habe in diesen bescheidenen Erfahrungsbericht meiner ersten Pilgerfahrt natürlich nicht alles erfassen können was wir im Hajj erlebt haben, dass möchte ich auch gar nicht, denn das überlasse ich demjenigen der dort selbst hinfährt. Ich kann nur eines sagen, nämlich dass man süchtig von der Hajj wird. Am Anfang des Berichts habe ich gesagt, dass mein Bekannter sehr traurig war, dass er nicht auch zur Pilgerfahrt könne. Ich kann ihn nun verstehen.
Algemeine Tipps:
Ich empfehle jedem der die Pilgerfahrt durchführen möchte auf jeden Fall einen Schal und einen Pullover mitzunehmen, denn am Tage ist es sehr heiß und nachts sehr kalt. Man kriegt sonst sehr schnell Halsschmerzen. Man sollte sich feste Schuhe mitnehmen, zum einen für das Bewerfen der Felsen und zum anderen, falls man den Berg des Lichts besteigen möchte.